Von Peter Eichhorn
Was ist eigentlich diese Nachhaltigkeit, von der so häufig und doch so verschieden gesprochen wird? Die Vereinten Nationen erklären: „Die Menschheit besitzt die Fähigkeit, den Fortschritt nachhaltig zu gestalten, um so zu gewährleisten, die Bedürfnisse der Jetztzeit zu erfüllen, ohne die Bedürfnisse künftiger Generationen zu beeinträchtigen.“ Aktuelle wirtschaftliche Überlegungen fordern zudem einen entscheidenden Schritt, weiter zu intensivieren: So gilt es nicht, Gewinne zu erwirtschaften, die dann in Umwelt- und Sozialprojekte fließen, sondern zuvor bereits die Gewinne sozial- und umweltverträglich zu erwirtschaften.
Auch die Gastronomie und die Getränkewirtschaft setzen sich zunehmend mit den dazugehörigen Phänomenen auseinander. Im Bereich Wein und Winzerhandwerk spielen etliche daran angeschlossene Überlegungen schon geraume Zeit eine wichtige Rolle. Sei es beim Einsatz von Düngemethoden & Schädlingsbekämpfung oder bei der Diskussion um Rohstoffe & Umweltverträglichkeit der Flaschenverschlüsse – von Kork über Kunststoff, Metall bis hin zum Glaspfropfen. Auch fordern immer mehr Winzer ihre Kunden auf, leere Flaschen wieder dem Weingut zurückzuführen.
Neue Verwertungsketten entstehen, um den Überschuss der modernen Wegwerfgesellschaft nicht auf den Müllhalden zu stapeln, sondern einer weiteren sinnvollen Verwendung zuzuführen. Manche dieser Ideen sind nicht neu. Ähnlich wie der Trester bei der Weinherstellung, bleibt nach dem Brauvorgang eine Restmasse, der Treber. Gerne melden sich Menschen bei den Brauereien, um diesen abzuholen und zu einem köstlichen Brot zu backen. Die Schweizer Organisation „United against waste“ nimmt den nächsten Schritt. Der Verein prangert an, dass heute beinahe jedes vierte Brot im Müll landet und nimmt genau diese Brote, um daraus wiederum Bier zu brauen. Das Brot ersetzt dabei einen Teil des Malzes.
Neue Konzepte für den Barbetrieb
In der internationalen Barlandschaft wächst das Interesse an der Abfallvermeidung ebenfalls. Begeistert und innovativ setzen Barbetreiber Konzepte um, die von Plastikvermeidung bis zur möglichst hundertprozentigen Verwertung von Früchten reichen. Ein Trendsetter ist die Bar „Scout“ in London, die mittlerweile bereits einen Ableger in Sydney in Australien hat. Die Bar mit dem Pfadfinder im Namen versucht, möglichst wenig wegschmeißen zu müssen. So wird beispielsweise eine Zitrone nicht nur für den Saftgehalt ausgepresst, sondern den Schalen werden die ätherischen Öle entzogen, um daraus einen Essig oder einen Sirup zu bereiten. Selbst die Zitronenkerne finden Verwendung und werden in einen Bar-Bitter verwandelt.
Trinkhalme aus Plastik werden zunehmend ersetzt durch wiederverwertbare Halme aus Glas, Edelstahl oder Bambus. Einweg-Untersetzer entfallen und hübsche Varianten aus Leder, Filz und weiteren mehrfach verwendbaren Varianten nehmen ihren Platz ein. Auch die wichtigen Cocktail-Wettbewerbe bauen das No-Waste-Thema in ihre Abläufe ein, um das Bewusstsein der jungen Barkeeper-Generation zu schärfen. Aber auch, um zu zeigen, wie wirtschaftlich produktiv ein derartiges Handeln sein kann.
Auf der diesjährigen ProWein widmet sich die fizzz Lounge (Halle 7.0 / C47) intensiv dem Thema Nachhaltigkeit. Einige der kreativsten Barkeeper Deutschlands werden dort ihre Philosophie und ihre Verfahren erläutern und zeigen, wie sinnvoll und zugleich köstlich solche Vorgehensweisen sein können. So zeigt beispielsweise Konstantin Hennrich aus der Berliner Stairs Bar, wie Obstreste zu eleganten Likören und Sirups werden können. Aber auch, wie Kichererbsen helfen, Eiweiß zu ersetzen und dadurch bestimmten Drinks eine vegane Version zu ermöglichen.
Auf der ProWein erwarten uns auch weitere spannende Produkte und Gespräche zu diesem Themenkomplex. So widmet sich beispielsweise „Top Series by Amorim“ aus Portugal (Halle 10 / C02) dem Thema der nachhaltigen Flaschenverschlüsse. Die holzpost GmbH aus Friedrichsdorf (Halle 14 / B91) nimmt Holz als Rohstoff, um daraus Untersetzer, Menükarten oder gar Postkarten mit Naturbewusstsein zu entwickeln. Und die Formitable GmbH aus Daun (Halle 14 / A71) zeigt wie leere Flaschen und ausgelaugte Fässer zu formschönen Flaschenregalen oder Tischen verwandelt werden können.
Und auch ein Besuch der „same but different“ Sonderschau in Halle 7.0 lohnt. Viele handwerkliche Unternehmer präsentieren hier ihre Craft-Marken, zeigen Gesicht und beweisen jene Transparenz zu Rohstoffen, Verfahren und Philosophie, wie es sich mündige moderne Verbraucher heute wünschen.