Europa: Wein-Zentrum der Welt

Bis heute bezeichnet man Georgien gerne als Wiege des Weinbaus. Doch nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen kultivierte man bereits 11.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung im Südkaukasus die ersten Weinreben. Ein Teil davon liegt zwar in Georgien, aber eben auch in Armenien, Aserbaidschan, dem Iran und Russland. Die ältesten Funde für Weinerzeugung gehen auf 6000 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück - und zwar in der Nähe von Damaskus. Also dem heutigen Syrien. Weitere Ausgrabungen datieren Artefakte aus dem heutigen Georgien und dem Irak auf das Jahr 5000 vor Christus. Der Nahe Osten war damals also quasi das Epizentrum.

Und was ist mit Europa? Wein kam hier "erst" um etwa 1700 vor Christus dank der Minoer auf Kreta an. Griechische Kolonisten verschifften dann die ersten Rebstöcke im 7. und 6. Jahrhundert vor unserer Zeit nach Gallien - also in die Region rund um das französische Marseille. Von dort aus verbreiteten sich die Reben in ganz Europa. Wein war anschließend allerdings lange Zeit in römischer Hand. Durch die Ausdehnung des Römisches Reiches vom 5. Jahrhundert vor Christus bis zum Jahr 150 bauten die Soldaten quasi überall, wo sie waren, Wein für den Eigenbedarf an. Parallel fand auch der erste Handel mit Wein in ganz Europa statt.

Karl der Große und der europäische Weinbau

Nach dem Ende des Römischen Reiches entwickelte jede Nation den Weinbau zunächst eigenständig weiter. Doch unter Karl dem Großen, der am 25. Dezember 800 als erster westeuropäischer Herrscher seit der Antike die Kaiserwürde erlangte, kam es zu einer Qualitätsoffensive im Europa-Weinbau. Er ließ Rebsorten nach "heunischen" und "fränkischen" trennen. Heunische Trauben entsorgte man, fränkische Trauben allerdings pflanzte man verstärkt an. Zugleich kam es im Mittelalter zu einem Aufschwung des Adels sowie des Klerus. Es waren vor allem Mönche, die den Weinbau intensivierten - oft durch den Adel finanziert.

Dieser Prozess des kirchlichen Weinbaus zog sich über viele Jahrhunderte hin. Zudem etablierte sich auch durch die Kathedrale im französischen Reims, wo traditionell die Krönungsmessen der Franken-Könige und -Kaiser stattfanden, die Champagne als eines der frühen Epizentren im europäischen Weinbau. Mitte des 17. Jahrhunderts war es dann der legendäre Dom Pérignon, der zwar nicht den Champagner erfand, der aber durch Ertragsreduktion und den Verschnitt verschiedener Rebsorten für eine weitere Qualitätsoffensive sorgte.

Europa-Wein: Gut zu wissen

Europa: Wein für die Welt

Nun hätten all die Errungenschaften der Klöster lokal begrenzt sein können. Waren sie aber nicht. Und das wiederum ist den Engländern sowie den Holländern zu verdanken, die im späten Mittelalter sowie während der Renaissance große Seefahrer-Nationen waren. Ihnen ist der erste richtige Welthandel mit Europa-Weinen zu verdanken. Den Anfang machten gespritete Weine wie Port, Sherry und Madeira, aber auch Bordeaux-Weine bekamen dank des Atlantiks eine eigene Handelsflotte gen Großbritannien.

Kurzum: Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein florierte der Weinhandel in Europa. Wein war ein enormer Wirtschaftsfaktor. Und dieser kam ab 1864 fast komplett zum Erliegen. Schuld war ein gerade mal 1,5 Millimeter großes Tierchen: Die Reblaus, auch als Phylloxera vastatrix bekannt. Bis 1920 vernichtete die aus den Vereinigten Staaten importierte Reblaus 2,5 Millionen Hektar Rebfläche in Europa! Wein war viele Jahre eine echte Mangelware. Zumindest bis man entdeckte, dass amerikanische Rebwurzeln resistent waren. Seitdem ist so gut wie jeder Rebstock dieser Welt gepropft. Ausnahmen auf besonders sandigen Böden bestätigen die Regel. Selbst heute schlägt die Reblaus übrigens immer noch regelmäßig zu.

Neue Transportwege: Vom Schiff auf den Zug

Dass sich der Weinbau Anfang des 20. Jahrhunderts dann wieder recht schnell erholte, ist vor allem auf die Industrialisierung zurückzuführen. Und den damit einhergehenden Ausbau von Eisenbahnstrecken. Schiffe waren plötzlich nicht mehr das einzige Transportmittel, wenn es um längere Strecken ging. Zwar waren Flüsse wie Gironde, Rhône, Loire und natürlich Mosel und Rhein immer noch wichtige Transportwege, aber jetzt musste man Handelsgüter eben nicht zwingend verschiffen, sondern konnte sie auf Schienen einmal quer durch alle Länder Europas auf die Reise schicken.

Aufgrund der Industrialisierung brachte man zudem eine Mechanisierung der Bewirtschaftung auf den Weg. Bevor diese sich aber flächendeckend für Europa-Weine durchsetzen konnte, stoppten zwei Weltkriege den Fortschritt. Vor allem der Zweite Weltkrieg brachte den Weinbau erneut zum Erliegen. Es waren kaum noch Männer da, die sich um die Weinbergsarbeiten kümmern konnten. Europas Weine waren bis Ende der 1940er-Jahre dementsprechend fest in Frauenhand.

Europa-Wein: Top 3

Europa-Weine im Hier und Jetzt

Ab den 1950er-Jahren erholte sich Europa. Wein und Fortschritt gehörten wieder zusammen. In den folgenden Jahrzehnten löste die maschinelle Ernte die Handlese ab, Massenproduktion fand Einzug - ebenso wie die Verwendung von Reinzuchthefen. Das Gesicht des europäischen Weins änderte sich, wurde vielfältiger. Und oft auch kommerzieller. Weinskandale wie in Österreich oder aber Revolten wie im französischen Corbières blieben nicht ohne Folgen. Länder wie Frankreich, Italien und Spanien setzten sich an die Spitze in Europa. Wein wurde zudem auch Sache der Europäischen Union, die den Anbau mit speziellen finanziellen Förderungen nicht nur vorantreibt, sondern auch reguliert.

Inzwischen ist es fast obsolet, von der "Alten Welt" zu reden, wenn es um Europa-Weine geht. Schließlich findet man auch hier viele Industrieweine. Der Fassweinhandel ist immer noch präsent - und lukrativ. Zugleich besinnen sich aber auch viele Weingüter auf ihre Wurzeln und die traditionelle Weinbereitung. Noch nie war der europäische Weinmarkt so vielfältig - und hart umkämpft - wie heute.

Europa: Weinländer im Überblick