Ich werde in meiner Heimat immer wieder für Weinproben gebucht, welche die Weine der Nordseeinseln darstellen. Bei uns auf Sylt und bei den Nachbarn auf Föhr befinden sich momentan die nördlichsten Rebzeilen Deutschlands. Natürlich ist das Thema Klima dabei häufig ein wichtiger Inhalt. Man muss aber sagen, dass Weinbau auf den Inseln in erster Linie nicht durch höhere Temperaturen möglich gemacht wurde, sondern durch die Züchtungen von Solaris und Johanniter. Mit Grauburgunder hätte es nicht funktioniert. Klimawandel ist also nur ein Teilfaktor.
In Düsseldorf betreibe ich mit einem Geschäftspartner die Firma "Concept Riesling". Wie der Name schon sagt, liegt der Fokus stark auf der wichtigsten Rebsorte unserer heimischen Anbaugebiete. Die Nachfrage nach sehr kargen und mineralischen Rieslingen ist gerade im Spitzensegment in letzter Zeit merkbar angestiegen. Waren vor einigen Jahren noch saftige Opulenz und gelbfruchtige Aromen gefragt, scheint nun die Szene immer mehr Gradlinigkeit und Kräuterigkeit zu verlangen. Die ist natürlich eher eine konträre Entwicklung zu wärmeren Temperaturen. Jetzt sind die Winzer gefragt, diesen Stil in die Flasche zu bekommen.
Laubmanagement, Hummusaufbau und Ertragsminderung sorgen für eine gesunde Balance von Säure- und Öchslewerten, sowie physiologischer Reife. Wichtige Werte, wenn man einen früheren Lesezeitpunkt anstrebt. Mit Carolin Spanier vom Weingut Kühling-Gillot (Halle 14, Stand E 46) sprach ich über ihren Dry Farming-Ansatz, bei dem sie die Böden im Roten Hang mit Stroh schützt, wodurch im Sommer die Feuchtigkeit unter der Strohschicht gehalten wird.
Dennoch ist dies erst der Anfang. Der nächste Schritt ist die Verlagerung des Weinbaus. Hin zu kühleren Lagen, höher gelegenen Flächen, neuen Ländern und letztendlich anderen Rebsorten. Philipp vom Zehnthof Luckert (Halle 14/ Frankenwein, Stand D 86) erzählte mir kürzlich, wie glücklich er sei, dass seine beste Lage Maustal keine reine Südausrichtung habe, sondern auch nach Osten zeige.
Wir Sommeliers und Händler sind nun gefragt, diesen Umschwung mit zu betreuen. Den Kunden an die Hand zu nehmen und ihm die neuen Lagen und Appellationen zu zeigen. Langsam in den Köpfen alte Werte durch neue zu ersetzen. Dabei ist es wichtig, Panikmache zu vermeiden und sachlich zu agieren. Und natürlich den Spaß am Weintrinken weiterhin zu betonen.