Von Stuart Pigott und Paula Redes Sidore
Die Weinwelt steht an der Schwelle zu einer Verpackungsrevolution. Früher war es selbstverständlich, dass guter Wein in Glasflaschen mit Korken abgefüllt wurde. Das änderte sich langsam aber sicher mit der Jahrtausendwende: Die Verwendung von Schraubverschlüssen breitete sich von Südaustraliens Clare Valley rasant aus und ist inzwischen Norm für viele Weine. Eine zweite Entwicklung verlief eher unbemerkt von den Verbrauchern: Der Einsatz leichterer Glasflaschen. Jetzt zeichnet sich ein vollkommen neuer Trend ab. Es sieht so aus, als würden Bag-in-Box und andere glaslose Verpackungen im Weinhandel ebenso wichtig werden wie Schraubverschlüsse anstelle von Korken. Die ProWein, die weltweit größte und bedeutendste Fachmesse für Wein und Spirituosen, vom 19. bis 21. März 2023 ist die ideale Gelegenheit, sich über aktuelle Verpackungstrends zu informieren.
Warum kommt es gerade jetzt zu einem Umdenken bei Weinverpackungen? Der Grund ist auch hier der Krieg in der Ukraine, der die Umstellung auf erneuerbare Energien beschleunigt. Die Herstellung von Glasflaschen ist energieintensiv. Die wachsenden Energiekosten haben die Kosten für Weinflaschen aus Glas erhöht. Je nach Land stiegen sie von 30 Prozent auf bis über 100 Prozent – falls überhaupt eine ausreichende Menge von Weinflaschen auf dem Markt verfügbar ist. Der Krieg in der Ukraine hat das Angebot verknappt. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Weinerzeuger dazu übergegangen sind, den Glasvorrat für ein ganzes Jahr anzulegen.
3-Liter-Bag-in-Box verringert den CO2-Fußabdruck um 84 Prozent
Die Glasflasche ist plötzlich nicht nur ein Problem, weil sie einen großen Anteil am CO2-Fußabdruck der Weinproduzenten ausmacht. Glasflaschen verursachen auch hohe Kosten und fordern die Logistik. Bei alternativen Weinverpackungen setzt daher zum Beispiel Kalifornien neue Maßstäbe. Der Winzer Jason Haas von Tablas Creek in Paso Robles hat seine drei Einstiegsweine in Bag-in-Box-Verpackungen abgefüllt. Und das kommt dem Verbraucher ebenso wie der Umwelt zugute. „Die 3-Liter-Bag-in-Box-Verpackung verringert den CO2-Fußabdruck, verglichen mit den vier Standard-750-ml-Glasflaschen, um 84 Prozent. Gleichzeitig kann der CO2-Fußabdruck beim Versand um 60 Prozent reduziert werden.“ Am Ende ist das Produkt um 15 Prozent günstiger. Hinzu kommt: Verglichen mit einer geöffneten Glasflasche bleibt der Wein in einer angebrochenen Bag-in-Box viel länger frisch und ist durch die leichte und kompakte Verpackung einfacher zu handhaben.
Der Widerstand der Verbraucher war in der Vergangenheit das Argument der weltweiten Weinwirtschaft gegen eine andere Weinverpackung. Doch Haas hat eine andere Erfahrung gemacht: „Unsere Kunden sind offener denn je für alternative Verpackungen. Diese erste Hürde, die ich für die größte hielt, war keine große Sache.“ Laut Haas könnte der Wandel noch schneller sein, gäbe es in Kalifornien – wie bereits in Oregon – mobile Bag-in-Box-Abfüllanlagen.
Bag-in-Box-Wein ist in Skandinavien bereits weit verbreitet, weil deutsche Spitzenerzeuger wie die VDP-Mitglieder Dönnhoff (Nahe), Maximin Grünhaus (Mosel) und Leitz (Rheingau) oder auch Anbieter wie die Weinspezialisten MEJS bereits mit an Bord sind. Von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert, hat sich das Angebot von deutschen Weinen im Bag-in-Box-Verfahren in letzter Zeit vergrößert. Führende Online-Händler wie Jacques Weindepot und Rindchen’s Weinkontor haben die Marktlücke und die Vorteile erkannt. Die Hauptlieferanten sind Frankreich und Italien mit einer breiten Preisrange und Größen (bis zu 10 Litern). Die neue 3-Liter-Bag-in-Box ist schmal genug, um in die Kühlschranktür zu passen und breit genug, um Verpackungsdesigner zu inspirieren.
Der 1,5-Liter-Weinbeutel – ein Beutel ohne Schachtel – gewinnt in Europa ebenfalls an Bedeutung. Wildmark, ein Joint Venture von Katharina Wechsler und Kai Schätzler aus Westhofen/Rheinhessen, hat in diesem Format kürzlich einen unfiltrierten Bio-Riesling und einen unfiltrierten Bio-Rosé auf den Markt gebracht. Rainer Flick vom Weingut Flick in Flörsheim (Main/Rheingau) wird in Kürze folgen. Im Vergleich zu 75-cl-Glasflaschen ist hier der CO2-Fußabdruck um 90 Prozent geringer.
Andere Alternativen: Edelstahl-Kegs, PET-Flaschen
Die Umstellung von Glasflaschen auf Bag-in-Box ist nur die Spitze des Eisbergs bei den neuen Weinverpackungen. In den letzten Jahren gab es in den USA einen großen Zuwachs bei Wein und weinhaltigen Getränken in recycelbaren Aluminiumdosen. In großen Teilen Europas hat man sich stattdessen dafür entschieden, in Bars und Restaurants Wein aus Edelstahl-Kegs im offenen Ausschank anzubieten. Miguel Torres, Chile hat vor kurzem seinen roten Rio Claro Organic Carmenère in der Packamama PET-Flasche beim staatlichen schwedischen Alkoholmonopolisten Systembolaget eingeführt. Dabei handelt es sich um eine flache Flasche, die zu 100 Prozent aus recyceltem PET besteht und für eine Wiederverwendung konzipiert ist. Dies ist zwar keine grundlegend neue Technologie, sagt aber viel über die neue und dringend benötigte Offenheit für Alternativen aus. Hersteller und Einzelhändler haben gerade erst begonnen, ökologische und klimapolitische Aspekte in ihrem Marketing zu berücksichtigen.
Aktuelle Informationen zur ProWein 2023 sind unter www.prowein.de zu finden.
ProWein auf allen Kanälen:
https://www.facebook.com/ProWein.tradefair
https://www.instagram.com/prowein_tradefair
https://www.linkedin.com/showcase/prowein-tradefair/
https://twitter.com/ProWein