von Peter Eichhorn
Vor wenigen Jahren noch schier undenkbar: alkoholfrei als Lifestyle-Segment. Alkoholfreie Biere erinnerten oft nur entfernt an das Original, eine Getränkekategorie alkoholfreier Destillate gab es nicht, und auf Cocktailkarten trugen die Bereiche ohne Alkohol oftmals die Überschrift „Mocktails“, also Cocktail-Attrappen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Der „Dry January“ oder „Sober October“ ist mittlerweile fester Bestandteil der Getränkekultur, der Genussfaktor kommt auch bei „no-and-low“ nicht zu kurz. Die Vielfalt alkoholfreier Produkte ist immens, Technik und Aromatik werden immer weiter vorangetrieben. Auf der ProWein 2023, der weltweit größten und bedeutendsten Fachmesse für Weine und Spirituosen vom 19. bis 21. März, lassen sich zahlreiche Varianten pur und als Mixgetränk entdecken.
Von London in die Welt
Die Revolution bei alkoholfreien Destillaten begann 2015 als Testlauf im Londoner Kaufhaus Selfridges. Eine junge und unbekannte Marke namens Seedlip wurde präsentiert, und schon nach drei Wochen war die erste Charge von 1.000 Flaschen verkauft. Drei Varianten entstehen durch Mazerations-, Destillations-, Filtrations- und Mischverfahren, bei dem jede pflanzliche Zutat vor dem Mischen separat destilliert wird. Das Ergebnis des Vorgangs ist eine Flüssigkeit ohne Alkohol und Zucker. Alkoholfreier Gin steht zwar aus rechtlichen Gründen nicht auf den Flaschen, doch die Produkte können in Cocktails wie das Original-Wacholderdestillat angewendet werden. Seedlip wird vom Bremer Spirituosen Contor (Halle 7, Stand B 13) vertrieben, das eine große Anzahl alkoholfreier Destillate inspiriert von Gin, Rum und sogar Whiskey im Sortiment hat.
Eine feste Größe im Business ist die Rheinland Distillers GmbH (Halle 7, Stand B 25), bekannt für den Siegfried Gin aus Bonn und die alkoholfreien Produkte „Wonderleaf“ und „Wonderoak“. Ersteres kann als Gin-Ersatz eingesetzt werden, das andere enthält Tonkabohne, Muskat, Bockshornklee, Limette und Curaçao-Orange und kann Rum-inspirierte Drinks erzeugen. Brandneu auf dem Markt ist zudem der Wonderleaf Rosé. Auch das ist ein Erzeugnis, das sich hervorragend mit Tonic vermählen lässt, nur ist es etwas floraler in der Aromatik. Zusätzlich konzipierten die Rheinland Distillers noch die „Easy“-Serie mit 20 % Vol. Alkoholgehalt. Der Alkohol im Drink wird reduziert, die Restmenge Alkohol wirkt aber als Geschmacksverstärker und ist ein passender Vertreter der „Low-Alcohol“-Kategorie.
Der Markt bietet mittlerweile aromatisch vielfältige Erzeugnisse, die von Wermut über Amaro bis Whisky mit alkoholfreien Inspirationen und Geschmack überzeugend spielen. So präsentiert beispielsweise Dr. Jaglas (Halle 7, Stand C 02) eine Marke, die nach einer langen Apothekertradition arbeitet, zum ersten Mal eine alkoholfreie Limoncello-Variante und beweist, wie elegant das Produkt zu Prosecco passt. Aus Hamburg reist die Hamburg Distilling Company (Halle 13, Stand C 35) zur ProWein an. Im Gepäck haben sie ihren Knut Hansen Gin, der vorwiegend mit regionalen Produkten wie Gurke, Apfel oder Rose kreiert wird, und den es nun auch in einer 0,0 – also komplett alkoholfreien – Variante gibt. Auf Kräuter wiederum setzt die Alfred Schladerer GmbH (Halle 7, Stand B 52). Die Traditionsdestillerie ist bekannt für ihre bewährten Brände und Geiste, greift jetzt aber auch das aktuelle Trendthema des No-Alcohol auf und präsentiert ihren „Vincent“, einen Aperitif auf Kräuterbasis, fein abgestimmt mit Himbeeren. An US-Bourbon erinnert der SoBour mit null Promille des UK-Exporteurs Chastity (Halle 13, Stand D 06). Dunkle, erdige Noten abgerundet mit Aprikosen-, Vanille- und Kräuteraromen lassen keine Wünsche offen.
Hopfen und Malz
Insbesondere für die Bier-Kategorie reifte die Technik zuletzt heran, so dass die neue alkoholfreie Brauwarengeneration durch neue Herstellungsmethoden, wiederentdeckte Hefekulturen und aktuelle Aromahopfen für große Überraschungen sorgte. Die Verkaufszahlen sind in Deutschland auf dem Weg, die Schwelle von 7 Millionen Hektolitern zu knacken. 0,5 % Vol. Alkohol dürfen unter dem Etikett „Alkoholfrei“ noch enthalten sein, doch auch die international bedeutende 0,0 %-Kategorie setzt qualitativ neue Maßstäbe. Mit den intensiven Frucht- und Kräuternoten, die mithilfe von abwechslungsreichen Aromahopfensorten im Rahmen der Kalthopfung hervorgerufen werden, lässt ein sensorisches Feuerwerk den Alkohol nicht weiter vermissen. Hauptsächlich obergärige Bierstile, wie Pale Ale, setzten dabei einen neuen Benchmark. Der Aussteller „Neue Bierkultur GmbH“ (Halle 7, Stand D 53) vereint mehrere Biermarken, und so lassen sich beispielsweise zwei alkoholfreie Pale Ales verkosten und vergleichen: Brlo Naked aus Berlin und Maisel & Friends Pale Ale alkoholfrei aus Bayreuth. Aus Belgien wiederum kommt das alkoholfreie Bier von Neobulles (Halle 1, Stand A 05). Weitere „no und low alcohol“ Produkte sind unter folgendem Link zu finden:
https://www.prowein.de/vis/v1/en/search?oid=29556&lang=2&ticket=35817543752876&_query=alcohol+free