25/01/2007
Frankreich, gleichermaßen Sinnbild für zweitausendjährige Tradition wie für revolutionären Aufbruch, steckt mit seiner Weinproduktion in der Krise. Daran sind in erster Linie die Franzosen selbst schuld: Während deren Qualitätsbewusstsein steigt, geht der Weinkonsum zurück. Lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch Anfang der 60er-Jahre noch bei 100 Litern, wird heute nur noch die Hälfte erreicht. Aber auch die internationalen Verbraucher haben zur aktuellen Situation beigetragen: Frankreichs Anteil am weltweiten Export sinkt und lag nach 23 Prozent im Jahr 2001 im vergangenen Jahr bei nur noch 18 Prozent.
Über 400 französische Produzenten und Händler stellen sich der Herausforderung und präsentieren sich vom 18. bis 20. März 2007 zur weltweit wichtigsten Fachmesse für Weine und Spirituosen, der ProWein in Düsseldorf. Schon seit langem wird die ProWein von den französischen Erzeugern als Exportplattform genutzt. „Vor ein paar Jahren ging es uns vor allem darum, für unseren deutschen Kundenstamm präsenter zu sein und ihn auszubauen. Inzwischen ist das internationale Profil der Veranstaltung unser Hauptargument“, erläutert Eric Fargeas, Directeur Commercial der Cave Vinicole in Kientzheim-Kaysersberg. Als drittstärkste Ausstellernation hinter Deutschland und Italien zeigen die Franzosen in Halle 5 mit ihrem Angebot an modern vinifizierten Weinen, pfiffigen Ausstattungen, unbekannten Appellationen, innovativen Cuvées und Klassikern, dass sie auf die Erfordernisse des Marktes reagieren.
Angesichts der schwierigen Situation der französischen Weinwirtschaft zeigen sich die Branchenverbände, die sich lange durch die rosige Situation bei den grands crus und den vins de terroir de qualité hatten täuschen lassen, nun alarmiert. Auch der Staat hat sich inzwischen eingeschaltet. An Vorsätzen, die Erträge zu verringern oder das als Qualitätssicherung gedachte AOC-System einmal gründlich zu durchforsten, mangelt es nicht – ihre Umsetzung allerdings trifft auf den Widerstand der kleinen französischen Winzer. Es lässt sich jedoch nicht verleugnen, dass die Vergabe der Bezeichnung AOC (mittlerweile bereits 450 Mal!) nicht immer den entsprechenden Qualitätskriterien gefolgt und die Produktpyramide unüberschaubar geworden ist. Vin de table, vin de pays, AOC, cru … kaum jemand blickt da noch durch.
Vin de France: Ein Landwein soll den Export beflügeln
Die Einführung einer neuen Bezeichnung für Landweine – Vin de France – mag vor diesem Hintergrund wenig zielführend erscheinen, stellt in Wahrheit jedoch eine kleine Revolution dar. Endlich ein Landwein, der landesweit und nicht mehr nur gebietsspezifisch produziert werden kann – so sollte sich auch die Erschließung von Drittländern vereinfachen lassen. Mit gutem Beispiel voran geht das Beaujolais mit seinem vin de pays des Gaules, dessen Anbaugebiet 85 Gemeinden im Département Rhône und 11 im Département Saône et Loire umfasst. Eine weitere Minirevolution ist die mittlerweile erlaubte Einbringung von Holzspänen in Weine ohne AOC-Prädikat – kleine Eichenholzstückchen, die die Aromatisierung des Weins beschleunigen, so die Kosten senken und damit auch den Export begünstigen dürften.
Insgesamt lässt sich beobachten, dass die Reformen im Weinbau ins Stocken geraten. So hat eine Befragung der Landwirtschaftskammer des Département Gironde von 105 Betrieben im Gebiet Entre-Deux-Mers ergeben, dass im Bordelais – der mit 125.000 Hektar größten Weinbauregion – die Umsätze über einen Zeitraum von acht Jahren um durchschnittlich 27 Prozent gesunken sind, während das laufende Ergebnis auf ein Siebtel und die Absatzmenge um 38 Prozent zurückgegangen ist. Diese Zahlen mögen überraschen, macht der Bordeaux doch bekanntlich ein Drittel des französischen vin de qualité aus. Den Markt in dieser größten Weinbauregion der Welt teilen sich allerdings nicht weniger als 13.000 Produzenten mit einer Gesamtmenge von 3 Mio. Hektolitern (2005).
Französische Markenweine erobern die Märkte der Welt
Aus dieser Region stammte mit Mouton Cadet auch die erste französische Marke, die im Jahr 1930 auf den Markt gebracht wurde. Marken haben in Frankreich keine Tradition, und so wurden im Bordelais die meisten erst in den 80er und 90er-Jahren kreiert: Baron de Lestac, Ginestet usw. Doch die Erfolge mit den starken Marken in Übersee, insbesondere Australien, haben auch andere französische Regionen inspiriert, so dass mittlerweile in Frankreich regelmäßig neue Marken angemeldet werden. Boisset, einer der großen Namen im Burgund, hat im vergangenen Jahr mit French Rabbit einen vin du pays d’Oc im verspielten Tetra-Pak-Design auf den nordamerikanischen, britischen, irischen und dänischen Markt gebracht. Nun soll das „französische Kaninchen“ auch auf japanischem und heimischem Boden grasen. Der burgundische Anbieter setzt dabei mit Tetra Pak auf eine Verpackungsart, die bislang dem Billigsortiment vorbehalten war. Opéra Vins et Spiritueux (OVS) wiederum, eine neue Dachorganisation für Kooperativen mehrerer Regionen, will ihre Chamarré-Produktlinie unter die Top 3 der meistverkauften französischen Marken in den USA bringenm während sie in Großbritannien und Frankreich bereits vermarktet werden.
Das Bordelais ist auch Schauplatz diverser Elefantenhochzeiten. Nachdem das Handelshaus William Pitters 2002 bereits seine Weinmarken (u. a. Malesan) an Castel abgetreten hatte, hat Gründer Bernard Magrez inzwischen die Spirituosensparte an Marie Brizard, ebenfalls aus dem Girondin, verkauft. Die Pierre-Castel-Gruppe ihrerseits, die 1992 mit der Société des vins de France (SVF) den führenden Weinvertrieb Frankreichs aufgekauft hatte, will mit dem für das erste Halbjahr 2007 geplanten Erwerb der Carrefour-Weinsparte Prodis die unangefochtene Nummer eins werden. Castel und Prodis wären zusammen 1,4 Mrd. Euro schwer und würden damit sogar Gallo (1,3 Mrd.) in den Schatten stellen, allerdings an Constellation Brands (1,8 Mrd.) nicht ganz heranreichen. Castel zählt fünf der sieben führenden Marken Frankreichs zu seinem Portfolio und hat die gleichnamige Marke vor kurzem international eingeführt.
National wie international gut behaupten kann sich auch das mit 25.000 Hektar wesentlich kleinere Burgund. Der Erfolg auf dem heimischen Markt erklärt sich hauptsächlich aus der Beliebtheit weißer Chablis-Weine (Galionsfigur hier: Michel Laroche) und generischer Appellationen in der Preisklasse zwischen 4 und 6 Euro, die der Region im Weinwirtschaftsjahr 2005/2006 einen Zuwachs um 7 Prozentpunkte eingebracht haben. Ein solides Standbein im Ursprungsland ist die Voraussetzung für erfolgreichen Export. In den kommenden zehn Jahren wird – Schätzungen von Fachleuten zufolge - der Anteil des inländischen Markts am Verbrauch stiller Weine um 5 auf 25 Prozent sinken. Eine Ursache dafür sind die strengen Alkoholkontrollen. Mehrere Marktteilnehmer haben bereits reagiert – so ist Uccoar schon seit 1989 mit einem alkoholfreien Weinprodukt am Markt, weitere Anbieter sind Signatures d’Alsace oder Listel mit seinem 9-prozentigen Rosé. Besonders weibliche und jugendliche Zielgruppen lassen sich für Wein mit geringem Alkoholgehalt begeistern – wie auch für den Rosé, der im Burgund lange als minderwertig galt und zurzeit eine Renaissance erlebt. Uccoar und Listel sind im Languedoc beheimatet. Überproduktion macht in diesem 160.000 Hektar großen Weinbaugebiet das Roden von Weinstöcken und das Destillieren notwendig. Neben dem Bordelais ist diese Region am stärksten von den Problemen betroffen.
In der Champagne hingegen kann von Krise keine Rede sein: Kaum ein festlicher Anlass weltweit, der nicht mit ihrem edlen Produkt begossen wird – trotz einer begrenzten Anbaufläche von 30.000 Hektar. Neben den großen Bordeaux-Weinen ist es vor allem dem Champagner zuzuschreiben, dass der französische Export wieder anzieht: In den ersten acht Monaten 2006 waren mengenmäßige Zuwächse um 3,5 Prozent auf 9,1 Mio. Hektoliter bzw. wertmäßig um 13 Prozent auf 3,6 Mrd. Euro zu verzeichnen.
Trends auf den wichtigsten Exportmärkten
Während sich Deutschland in puncto Absatzmenge mit Großbritannien die Waage hält, liegt der Exportmarkt Deutschland wertmäßig hinter den Briten und den USA. Die oftmals sehr teuren Produkte der Grande Nation können sich in Deutschland nur schwer behaupten. Der Preis pro Flasche liegt bei durchschnittlich 4 Euro. Wie überall in Nord- und Mitteleuropa kommen die fruchtigen, jungen, aromatischen und wenig aggressiven Weine bei den jungen Verbrauchern besonders gut an, die Rotwein immer häufiger auch außerhalb der Mahlzeiten trinken. Auch französische Unternehmen, die in der Biosparte aktiv sind, haben bei ihrem östlichen Nachbarn gute Karten.
Entgegen so manchem Klischee stehen auch die Briten französischem Wein durchaus nicht abgeneigt gegenüber. Die steigenden französischen Exportzahlen scheinen dies zu untermauern (+ 9,8 Prozent im ersten Halbjahr). Zweifellos aber sollten die französischen Weinproduzenten ihr Angebot künftig transparenter gestalten. In den USA ist das wichtigste Kaufkriterium – noch vor dem Preis und der Marke – die Rebsorte. Manche französische Marken sind gut etabliert, darunter Georges Dubeuf, Barton et Guestier, Louis Jadot, Fat Bastard (Gabriel Meffre) und natürlich Mouton Cadet. Die Weinhandelsgruppe Les Grands Chais de France hat vor kurzem mit The Wine Group eine Allianz zur gegenseitigen Vermarktung der Weine in den USA bzw. Europa geschlossen. Die Marken des elsässischen Unternehmens (JP Chenet, Labaume etc.) werden demnach künftig in Übersee vertrieben. Positive Vorzeichen also. Und auch in den USA, wo Italien mit einem Anteil von 31 Prozent zurzeit Marktführer unter den internationalen Weinen ist, konnte Frankreich Boden gut machen: In den ersten acht Monaten 2006 hat die Grande Nation mit 29,7 Prozent die größte Steigerungsrate und kommt jetzt auf einen Marktanteil von 14 Prozent.
Aktuelle Informationen zur ProWein, ihren Ausstellern und zum Veranstaltungsprogramm gibt es laufend hier im Internet.
(Der Autor, Georges Demangeon, ist Fachjournalist im Weinbereich und schreibt Artikel für renommierte französische und internationale Fachzeitschriften.)