29.10.2009
Sie findet nur alle drei Jahre statt – dafür bietet sie im kommenden Frühjahr ein wahres Feuerwerk an Innovationen. „Die INTERVITIS INTERFRUCTA 2010 wird allen Besuchern die Gelegenheit bieten, sich rundum über die neuesten Techniken und Trends für Weinberg und Keller bestens informieren zu können“, kündigt Prof. Monika Christmann an, Vorsitzende der Kommission Oenologie bei der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) in Paris. Doch welche technologischen Neuerungen werden zur Weltleitmesse vom 24. – 28. März 2010 in Stuttgart erwartet?
Stichwort Klimawandel: steigende Durchschnittstemperaturen, längere Tro-ckenzeiten und häufigere Starkniederschläge erfordern nicht nur eine Anpas-sung des Weinbergmanagements, etwa im Bereich der Tropfbewässerung, sondern sie bedingen gleichzeitig eine angemessene Reaktion des Kellermeisters – und dies weltweit! Laut dem Australischen Institut für Weinforschung AWRI stieg der Alkoholgehalt von (australischen) Rotweinen von 12,3 Volumenprozent im Jahr 1983 auf 13,9 Prozent im Jahr 2004! Ein Trend, der ganz ähnlich in Europa festzustellen ist; der Jahrhundertsommer 2003 lässt grüßen. Nicht ohne Grund hat die Europäische Union zum 1. August 2009 die Teilweise Entalkoholisierung von Wein zugelassen. – Ein Thema, das auf der IVIF 2010 zweifellos heiß diskutiert werden wird. Dessen ist sich Prof. Christmann sicher: „Infolge des viel diskutierten Klimawandels dürften die neu zugelassenen Verfahren der Alkoholreduzierung auf besonderes Interesse stoßen.“
Auch Dr. Rainer Jung von der Forschungsanstalt Geisenheim benennt die ak-tuelle Klimaerwärmung als wichtigen Orientierungspunkt für technologische Neuentwicklungen: „Verfahren wie die Pasteurisation, die in anderen Geträn-kebereichen Standardverfahren sind, werden auch in der Weinbereitung zu-nehmende Bedeutung erlangen. Und bedingt durch die klimatischen Verände-rungen wird die Selektionierung gesunder Trauben von hoher Qualität ein großes Thema auf der bevorstehenden INTERVITIS INTERFRUCTA sein“.
Gleich mehrere Aussteller haben diesbezügliche Neuerungen angekündigt, darunter die Scharfenberger GmbH & Co. KG: „Erwünscht sind Selektionsmethoden und -maschinen, um ein möglichst einwandfreies, gesundes, reifes Lesegut zu erhalten. Dabei gibt es ein Bestreben nach schonender Weiterverarbeitung“, erklärt Dieter Heckel vom Bad Dürkheimer Unternehmen, das zur Messe ein lasergesteuertes, vollautomatisches Sortiersystem präsentieren wird. Beim französischen Unternehmen Pellenc ist sogar die Einführung von zwei Neuheiten auf dem deutschen Markt in Vorbereitung: eine stationäre Traubensortieranlage („Selectiv Process Winery“) für den Keller sowie eine mobile Lösung mit integriertem Bildverarbeitungssystem und spezifischer Software.
Welche weiteren Trends sind zu erwarten? – Mit Sicherheit viele Innovationen im Bereich der Abfüllung, seien es alternative Verpackungssysteme oder auch Entwicklungen in der Prozesstechnik. Auch Fortentwicklungen von Membranprozessen sowie bei den Behandlungsmitteln sind bereits angekündigt. Ein kleiner Ausblick: Begerow wird neben dem zwei Hefespezies beinhaltenden Produkt „Sihaferm PureNature“ (ein Fermentationskonzept zur kontrollierten Spontangärung) „Becopad“ in Szene setzen, ein neues Tiefenfiltermedium aus Zellstoffen. Aus dem Hause Erbslöh kommen diverse Neuerungen für die Most- und Weinbehandlung: „Kupzit“ zur Böckserbeseitigung, „Boerovin“ für die Säuerung oder die Bio-Reinzuchthefe „Oenoferm Bio“. Die französische Tonnellerie Radoux hat angekündigt, ihr System zur spektrometrischen Schnellbestimmung von Tanninen in Eichenfässern vorzustellen („OakScan“). „Barrel Cam“ heißt die schwanenhalsartige Neuerung zur Inspektion von Barriquefässern, mit der die Wine Technology GmbH aus Trittenheim punkten will.
Und wie sieht es mit technologischen Trends im Weinberg aus? Prof. Hans-Peter Schwarz, Leiter des Institutes für Technik an der Forschungsanstalt Geisenheim, führt aus: „Vor dem Hintergrund verschiedener Gesetze sollten insbesondere im Pflanzenschutz neue Entwicklungen zu erwarten sein. Hierzu ist sicherlich das Zusammenspiel von Prognosemodellen, Applikationstechnik und verschiedenster Sensoren zu nennen, um Aufwandmengen zu reduzieren.“ Mehrreihige technische Lösungen bei allen Arbeiten im Weinberg sind ange-dacht und werden prototypenhaft vorgestellt. Durch das Themengebiet Präzi-sionsweinbau werden sicherlich elektronische Lösungen wie Lenksysteme, Schlagkarteien, Traubenscanner, Ertragskartierungen und automatische Do-kumentationsmöglichkeiten
vorgestellt. Bei der Bodenbearbeitung werden kraftstoffsparende und erosionshemmende Techniken nachgefragt. Im Traktorenbereich sind stufen
lose Getriebe und Motoren, die der neuen Abgasnorm entsprechen, vorzufin-den. Prof. Schwarz: „Im Steilhang erwarten wir den Arbeitsschutz fördernde Techniken, zum Beispiel hydrostatische Raupensysteme und fahrerlose Techniken für SMS-Geräte. - Auch hier wird bereits mit mehrreihigen Techniken experimentiert.“
Von Seiten der Industrie kann Bernd Clemens (Clemens GmbH & Co. KG, Wittlich) die Aussagen von Prof. Schwarz bestätigen: „Der Trend im Weinbau weltweit geht eindeutig in Richtung Automatisierung und mehrreihige Bearbeitung.“ Neben einem System zur flexiblen schnelleren Unterstockbearbeitung kündigt das Wittlicher Unternehmen - das in Stuttgart auf einer Ausstellungsfläche von stolzen 800 qm vertreten sein will, weil die IVIF „die wichtigste internationale Messe ist“ -, zu beiden Bereichen Weltneuheiten an. Auch bei der Dexheimer GmbH legt man Wert auf eine höhere Schlagkraft: “Moderne Winzer verlangen aus ökonomischen und ökologischen Gründen eine weitere Rationalisierung. Deshalb realisieren wir die Kombination von Arbeitsprozessen“, erklärt Rainer Lenga.
Auf der INTERVITIS INTERFRUCTA 2010 stehen bei Dexheimer die neuen Schmalspurtraktoren der „Serie 500“ im Mittelpunkt, die sich durch drei gleichzeitig nutzbare Anbauräume auszeichnen: Frontanbau, beidseitiger Zwischenachsanbau sowie Heckanbau. Als Importeur der Gregoire-Traubenvollernter kündigt Dexheimer auch hier eine verbesserte Arbeitskombination an: Ab dem Jahrgang 2010 werden alle Selbstfahrer-Modelle auch als Geräteträger mit vier Anbauräumen (zuzüglich Rahmenaufbau) zu haben sein. Das Unternehmen AGCO setzt demgegenüber auf mehr Komfort: Groß rauskommen sollen auf der IVIF 2010 die neuen Spezialtraktoren der Baureihe „Fendt Vario“ mit stufenlosem Getriebe und diversen Features, die das Arbeiten angenehmer machen sollen. Ein produktiveres Arbeiten versprechen wiederum neue Produkte zur Rebenpflege, die ebenfalls auf der Messe zu sehen sein werden: der Wachstumsregulator „Regalis“ von der BASF (zur Auflockerung der Traubenstruktur), „Pergado“ von Syngenta (gegen Peronospora) oder das neuartige Insektizid „Coragen“ von DuPont.
Kein Zweifel also: die Besucher der IVIF 2010 dürfen sich auf ein wahres Feuerwerk an Innovationen freuen.