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15/12/2009

Italiener trotzen der Krise und setzen auf den deutschen Markt

Vielfalt statt Einfalt - dafür steht die italienische Weinwirtschaft. Entsprechend farbenfroh präsentieren sich die italienischen Produzenten zur ProWein 2010 in Düsseldorf: Renommierte Anbaugebiete und Weingüter sind ebenso vertreten wie die Besitzer der großen Weinmarken bzw. die kleinen, weniger bekannten Weingüter in den Gemeinschaftsständen. Italien ist mit über 700 Ausstellern nach Deutschland die zweitgrößte Ausstellernation der ProWein. Santa Margherita, Conte Collalto, Castello di Monsanto, Trabucchi, Magnas, Canalicchio di Sopra, Poliziano, Pavia Agostino oder Planeta – eine Auseinandersetzung mit Menschen und Weinen, die das italienische Lebensgefühl den ganzen Stiefel entlang nahe bringt. Die Faszination wird nicht weniger; und wer den Andrang für die Seminare und das Interesse am Gemeinschaftsstand der Region Piemont zur Prowein 2009 gesehen hat, der konnte kaum glauben, dass wir mitten in der Finanzkrise stecken.

Die Trends in der italienischen Weinwirtschaft

Italien wäre nicht unser geliebtes, uns ständig überraschendes Italien, wenn es nicht im Fünfjahres-Rhythmus seine Weintrends kreieren würde. Zu Beginn der neunziger Jahre waren es die Supertuscans aus den Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot, die in der Toskana eine kleine Revolution auslösten. Danach waren die einheimischen Rebsorten an der Reihe. Angetrieben vom Interesse der innovationssüchtigen Weinführer und Sommeliers standen fast vergessene Rebsorten wie der rote Nerello Mascalese vom sizilianischen Vulkan Ätna oder der römische Cesanese aus dem südlichen Latium im Mittelpunkt des Fachinteresses. Es folgte die Suche nach und die Investitionen in einige Anbauregionen, deren Weine den Winzern der südlichen Hemisphäre in Sachen Geschmack und Preispunkt Paroli bieten sollten. Heute sind diese Rotweine aus Sizilien (Nero d’Avola) und Apulien (Primitivo und Negroamaro) lieb gewonnener, fester Bestandteil des Italienweinangebotes.

Aktuell sind es die Bioweine und - noch einen Schritt weiter - die biodynamisch erzeugten Weine, die in Fachkreisen viel Aufmerksamkeit erhalten. Dass es kein kurzes Strohfeuer ist, davon sind die Winzer überzeugt. „Diese Philosophie ist nicht von Rebsorten und Regionen abhängig, deshalb ist es eine nachhaltige Entwicklung, relativ unabhängig vom Preiswettbewerb“, sagt Michael Graf Goess-Enzenberg, der sein Weingut Manincor in Südtirol wie sein bekannter Winzerfreund Alois Lageder auf biodynamischen Weinbau umgestellt hat.

Die üblichen Marktgesetze greifen auch in dieser Zeit

Wie wird der Jahrgang 2009? Diese Frage beantworten für die Ungeduldigen die allerersten Weißweine. Die Winzer genossen nur wenige Augusttage ihren Urlaub, dann ging es auch schon los mit der Weinernte. Im weißen Norditalien wurde relativ früh gelesen, weil der heiße und trockene Sommer die Zuckerwerte bereits in die Höhe getrieben hatte. Dennoch wird die Qualität der Trauben als durchweg sehr gut bezeichnet. Entlang der Adriaküste und im Süden forderten dagegen einige Regeneskapaden im Frühjahr und auch im lesenahen Herbst die Winzer in puncto Weinbergpflege heraus, die dann prompt niedrigere Erntemengen als im Vorjahr einfuhren. Unter dem Strich stehen für Italien 44,5 Mill. hl, was ein fünfprozentiger Rückgang gegenüber dem Vorjahr ist.

Diese geringere Ernte hat jedoch nicht dazu geführt, dass sich die Weinpreise stabilisiert haben. „In allen Regionen von Nord bis Süd ist ein deutlicher, empfindlicher Rückgang der Preise von 20 bis 40 Prozent bei den mengenmäßig bedeutenden, bekannten Weinen (im Offenweinhandel) zu verzeichnen“, sagt Andrea Sartori von Sartori wines in Verona. Das betrifft nicht nur den Preiseinstiegswein Montepulciano in den Abruzzen oder die angesagten Weine in Apulien oder Sizilien, sondern auch die berühmten Klassiker wie den Brunello di Montalcino, den Amarone del Valpolicella und die Piemonteser Schwergewichte Barolo bzw. Barbaresco.

Diese Entwicklung setzt besonders den vielen, kleinen Winzern in diesen Anbaugebieten gehörig zu, die nur ihre eigenen Trauben verarbeiten. Sie müssen sich in Zukunft gegen nachgebende Preise im Handel bei ihren Herkünften behaupten.

Wohin mit dem Wein?

Wie sollen sich die Preise stabilisieren, wenn der Absatz lahmt? Fast ohne Ausnahme kämpfen die Winzer, ob kleine Betriebe oder große Kellereien, mit Einbußen von 10 bis 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im für alle wichtigen italienischen Markt stottert der bis dato zuverlässige Motor der Gastronomie. „Dass mancher Betrieb der gehobenen Gastronomie seine Probleme hat, kennen wir bereits, doch zum ersten Mal trifft es auch die einfache Trattoria und Pizzeria-Gastronomie“, sagt Elisabetta Stucchi-Prinetti vom Bioweingut Badia a Coltibuono in der Toskana. Dass sich die tiefgrauen Wolken schnell verziehen, erwartet dieses Mal kaum ein Winzer. Auch im Supermarkt wird am Weineinkauf gespart. „Downgrading“, das günstigere Einkaufen, hat das markenbewusste Italien längst erreicht. Die Italiener folgen den Weinkonsumenten in den USA, die dies bereits seit Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008 betreiben. Besonders schwer wiegt, dass die erfolgsverwöhnten Italiener - in diesem nach Einschätzung aller wichtigsten Exportmarkt der Zukunft - mit dem schwachen und schwächer werdenden Dollar zurechtkommen müssen. Wie bei allen europäischen Winzern schmilzt die Marge wie das Eis in der Sonne. Dass die Lage so prekär wie noch nie beurteilt wird, liegt an der Tatsache, dass die wirklichen Alternativen nicht zu erkennen sind. Denn auch in den asiatischen und osteuropäischen Märkten ist die Kauflust eingebrochen.

Nichts desto trotz wird sich die italienische Weinwirtschaft in ihrer gewohnten Stärke und mit ihrem gewohnten Optimismus zu ProWein präsentieren.


Der Autor, Steffen Maus, ist seit 1998 als freier Journalist und Buchautor tätig.