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15.12.2009

Gemeinsam Stärke demonstrieren

In fast allen wichtigen Weinmärkten haben sich die Überseeländer längst etabliert. Mit enormem Schwung, vielen Ideen und hoher Innovationsbereitschaft präsentieren sich Australien, Kalifornien, Südafrika, Chile, Argentinien, Brasilien, Uruguay und Neuseeland zur ProWein 2010. Erstmals bei einer internationalen Messe bündeln fünf dieser Länder ihre Aktivitäten mit gemeinsamen Auftritten und Seminaren.

Übersee macht mobil zur ProWein: Kalifornien, Argentinien, Chile, Südafrika und Neuseeland haben angekündigt, unter dem Motto „New World @ ProWein“ erstmals mit gemeinsamen Seminaren, Verkostungen und Workshops auf die Leistungen und Möglichkeiten der Neuen Weinländer aufmerksam zu machen. Begriffe wie Klimawandel, Innovation, cool climate-Weinbau und Nachhaltigkeit werden im Mittelpunkt der Veranstaltungen des eigenen Seminar- und Verkostungszentrums stehen. Dieser Auftritt der Überseeländer ist in seiner Art bisher einmalig. Michael Cox von Wines of Chile glaubt, diese Zusammenarbeit könne insbesondere das Terroir, die Komplexität und die Vielfalt der Neuen Welt zeigen – Aspekte, die das Alte Europa gerne alleine für sich in Anspruch nehme. Su Birch, verantwortlich für Wines of South Africa, sagt dazu: „Das ist eine Möglichkeit, Handel und Medien bei der ProWein – in einer hoch kompetitiven Umgebung - anzusprechen und unsere Leistungsfähigkeit zu zeigen.“

Der Augenblick ist gut gewählt: trotz Krise konnten die Überseeländer zuletzt ihre internationale Position weiter verbessern. Fast alle Länder haben im Durchschnitt der Jahre 2008 und 2009 nicht nur ihre Marktanteile an den großen Märkten halten, sondern in absoluten Zahlen ihre Exporte steigern können.

Natürlich wird es neben dem gemeinsamen Veranstaltungszentrum die gewohnten Gemeinschaftsstände mit einer Vielzahl von Ausstellern und ihren Weinen geben. Darüber hinaus sind große Unternehmen wie Concha y Toro, Espiritu de Argentina/Chile, Gallo, Santa Rita, Trapiche oder Montana an den Ständen ihrer Importeure vertreten.

Argentinien: Malbec in aller Munde

Als die anderen Überseeländer bereits moderne Weine exportierten, blieb Argentinien noch einige Jahre dem eigenen, großen Binnenmarkt verhaftet. Heute ist Argentinien ein Shootingstar der internationalen Weinszene. Inzwischen exportiert das mit rund 200.000 Hektar fünftgrößte Weinland der Erde seit mehreren Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten und hat mit der Rebsorte Malbec einen internationalen Hit gelandet. Nun schickt man sich an, mit der weißen Torrontés ein zweites Eisen ins Feuer zu legen. Malbec und Torrontés dürften auch zur ProWein in Düsseldorf im Mittelpunkt stehen.

Die aktuellen Erfolge Argentiniens im Qualitätsgeschäft sind vielleicht nicht so erstaunlich, wenn man sich die gewaltigen Veränderungen im Land, die erhebliche Verbesserung von Basisqualitäten sowie die recht günstige Währungsrelation vor Augen führt. Von Weintourismus und Exportförderung abgesehen, feilen Önologen auf breiter Front an Qualitäten, von denen vor einigen Jahren noch niemand zu träumen wagte.

Nach kräftigem Wachstum 2008 sank in diesem Jahr zwar die Exportmenge in den ersten sechs Monaten um 34 Prozent. Aber der Markt ist gespalten. Die Flaschenweinexporte Argentiniens florieren mit einem Plus von 15 Prozent weiter, während das zwar wichtige, aber eher ungeliebte Geschäft mit Fasswein und Most drastisch eingebrochen ist. 2009 hat Argentinien wie schon im Vorjahr eine eher kleine Ernte eingefahren. Frühjahrsfröste und gewaltige Hagelstürme verursachten bei Most- und Fassweinspezialisten im Osten der Provinz Mendoza und in San Juán erhebliche Einbußen. Die wertvolleren Lagen am Andenrand erlebten einen warmen Sommer und ließen reife, farbkräftige Trauben herabwachsen.

Australien: Eigener Weg zur ProWein

Von den wichtigen Überseeländern wird Australien nicht am gemeinsamen ProWein-Programm „New World @ ProWein“ teilnehmen. Paul Henry, Leiter der Marketingabteilung bei der Australian Wine and Brandy Corporation, sagte dazu: „Wir waren 2009 nicht mit einem eigenen Gemeinschaftsstand zur ProWein präsent. 2010 werden wir wieder vertreten sein, aber da wir erstmals wieder da sind, wollen wir uns eigenständig präsentieren.“

Das Shiraz-Land – auf mehr als einem Viertel der Rebfläche wächst die alte Rhone-Sorte – ist auf dem Weg vom jugendlichen „Hoppla-jetzt-komm-ich-Image“ zum seriösen Weinland mit regionalen Spezialitäten und kleinräumigen Terroirs, auch wenn sich drei Viertel der Produktion in der Hand großer Unternehmen wie Constellation, Foster’s, Pernod Ricard und Australian Vintage befinden. Bei mittleren und höheren Qualitäten sehen viele Produzenten die Zukunft Australiens. „Das Mengengeschäft mit großen Marken wird nicht verschwinden“, sagt Paul Henry. „Aber andere Länder können einfache Weine preiswerter herstellen als wir.“

Im laufenden Jahr hat Australien (12 Monate bis September 2009) seine Exporte um 8 Prozent erhöhen können. Die USA und Großbritannien bleiben die wichtigsten Exportkunden, aber besondere Zuwächse gab es im Export nach China, Hongkong und Deutschland. Die Ernte 2009 brachte rund 1,6 Mio. Tonnen Trauben, knapp 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Witterung war recht abwechslungsreich, ergab jedoch gute Qualitäten. Wer auf der Suche nach gehaltvollen, aber nicht zu überladenen Weinen aus 2009 ist, sollte einen Gang zum ProWein-Stand Australiens nicht versäumen.

Chile: Export floriert

Der gewaltige Ausbau der chilenischen Weinindustrie ist angesichts eines eher kleinen Inlandsmarktes ganz vom Exporterfolg getragen. Zwei Jahre lang litt Chile unter einem hohen Peso-Kurs. Erst ab Ende 2008 erlaubte die Währungsrelation wieder rentable und gute Geschäfte. Wenn in der weltweiten Krise nicht weniger getrunken wird, sondern günstiger, gelten die Chilenen als Spezialisten, wobei sie sich nicht gerne auf „preiswert und gut“ reduzieren lassen. Die chilenischen Exporteinnahmen stiegen 2008 um fast 8 Prozent auf 1,16 Mrd. Dollar. Während wichtige Auslandsmärkte wie Kanada, die Niederlanden oder Japan 2008 mit zweistelligen Raten wuchsen, blieben die USA und Großbritannien mit über einem Drittel der gesamten Exporteinnahmen größte Kunden für gefüllte Ware. Die USA bezogen etwas mehr, England etwas weniger als im Vorjahr. Im ersten Halbjahr 2009 ist es Chile weltweit gelungen, wieder positive Zahlen zu schreiben. Dazu tragen im Flaschenweinbereich die wichtigsten Exportländer recht gleichmäßig bei.

Cabernet-Sauvignon ist nach wie vor die wichtigste Rebsorte des Andenlandes. Doch nehmen die Pflanzungen von Syrah erkennbar zu, der sowohl in den traditionellen Lagen des Zentraltales wie in den kühlen Küstenregionen gute Ergebnisse bringt. Vor allem in den neu erschlossenen kühlen Regionen gewinnen Pinot Noir und Sauvignon blanc immer stärkere Bedeutung. 2009 gehört zu den heißesten und trockensten Jahrgängen der letzten 15 Jahre. Bei den qualitativ als sehr gut beurteilten Roten gibt es vor allem im Zentraltal konturierte Weine mit eher verhaltener Säure.

Kalifornien: Rekord-Absätze

Kalifornien bleibt seit vielen Jahren ein Vorbild nicht nur für andere Länder der Neuen Welt, sondern durchaus auch für Marketingexperten und Önologen in Europa. Aufmerksam verfolgt man in der übrigen Welt aktuelle Trends wie die Tendenz zu Pinot Noir aus kühlen Lagen nachhaltigem Weinbau oder höherwertigen Weinen in Bag-in-Box-Behältern. Bei den Rebsorten haben Chardonnay, Cabernet-Sauvignon und Merlot mit großem Abstand die größte Bedeutung. Doch Pinot Noir, Syrah und Pinot Grigio erfreuen sich erheblich größerer Wachstumsraten.

Der wachsende Weinmarkt der USA bleibt mit etwa 80 Prozent des Absatzes die Stütze der kalifornischen Winzer, die im Augenblick nicht weniger, aber preiswerteren Wein absetzen. Auch die Exporte stiegen zuletzt in der Menge rascher als im Wert – aber beide Zahlen weisen nach oben. Fast die Hälfte der exportierten Weine gehen nach Europa. Über die Jahrgangsqualität des 2009er außerten sich Sprecher der Weingüter äußerst positiv, obwohl es Mitte Oktober einige Tage geregnet hatte. Doch Reife, Farbe, und Aromen werden als optimal beschrieben.

Neuseeland: Oberes Preissegment angepeilt

Neuseeland brachte sich in den 90er Jahren mit frischem und duftigem Sauvignion Blanc ins Gespräch, der weltweit stilbildend für diese Sorte wurde. Mittlerweile jedoch werden die kühl-fruchtigen Weine des Landes auch bei Sorten wie Pinot Noir, Chardonnay und Cabernet-Sauvignon weltweit geschätzt. Dabei hat sich Neuseeland nicht nur in den beiden wichtigsten Exportmärkten Australien und Großbritannien in den oberen 25 Prozent des Marktes positioniert. Dabei will man auch bleiben und zur ProWein hochwertige Weine in den Mittelpunkt stellen.

Südafrika: Auf der Welle des Erfolgs

Auf Südafrikas 330qm großem ProWein-Stand stellen ein Drittel mehr Aussteller aus als im Vorjahr. Dies demonstriert die Bedeutung der Messe ebenso wie das Engagement der Südafrikaner im Export, wo anhaltende Erfolge eine gute Motivation bilden. „Wir werden die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika natürlich thematisieren und unsere Aktivitäten darauf fokussieren“, sagt Petra Mayer, die das deutsche Informationsbüro für südafrikanischen Wein leitet. Geplant sei auch das neue konsumentenorientierte Weinsiegel im Rahmen der ProWein zu lancieren. Hochwertige Rotweine dürften ebenso im Fokus stehen wie die sehr erfolgreichen Weißen aus Südafrika aus Sorten wie Chenin blanc oder Sauvignon blanc.

In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres gingen zwar die Exportzahlen Südafrikas leicht zurück, aber nur aufgrund niedrigerer Fassweinlieferungen in Länder wie Rumänien oder Russland. Die Flaschenweinexporte steigen weiter an, vor allem in die wichtigen Exportländer USA, Deutschland und Großbritannien, die zusammen mehr als die Hälfte des südafrikanischen Weinexports aufnehmen. Auch am Kap wuchs 2009 ein ausgezeichneter Jahrgang heran. Starke Sommerhitze steigerte den potentiellen Alkoholgrad erstaunlicherweise nur relativ verhalten, während die Säure auf gutem Niveau blieb. So gab es bei den Rotweinen sanfte und elegante Tannine bei eher niedrigem Alkoholgehalt. Die weißen Sorten zeigen sich bei reizvoller Frische harmonisch rund und lang.

Der Autor Jürgen Matthäß ist seit über 20 Jahren als Journalist tätig und schreibt ausschließlich über Wein. Nach dem Abschluss seines Studiums (Volkswirtschaftslehre) und Erfahrungen in der Wirtschaft begann er zunächst mit dem Schreiben über Wirtschaftsthemen. Seit seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Fachzeitschrift "Weinwirtschaft" (1986-1992) beschränkt er sich als selbständiger Journalist und Berater auf das Thema Wein.