21/01/2009
Die Fangemeinde für deutschen Wein wächst kontinuierlich. Die Zeiten, in denen deutsche Weine als „Underdogs“ im Vergleich zu anderen Herkünften galten, scheinen endgültig vorbei. „Das Tandem Riesling und Spätburgunder ist insbesondere auf den internationalen Märkten sehr gut angenommen worden“, fasst Monika Reule, Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), die aktuelle Lage zusammen. „Mit dem Riesling haben wir in den letzten Jahren die Basis für hochwertige Qualitäts- und Prädikatsweine aus den deutschen Weinbaugebieten gelegt. Dadurch ist auch das Interesse an deutschen Spätburgunder-Weinen stark gestiegen. Der Spätburgunder hat durch die Verbindung mit dem Riesling stark profitiert.“ Auch im Segment der deutschen Spitzenweine, das sich als Motor der Entwicklung betrachtet, herrscht Aufbruchstimmung. Steffen Christmann, Präsident des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), erklärt: „Die Jahre der kontinuierlichen Qualitätsarbeit zeigen nun endlich in einem nahezu idealen Marktumfeld Wirkung. Die qualitativen und wirtschaftlichen Erfolge der Spitzenweingüter strahlen in die gesamte deutsche Weinwirtschaft aus, die nun nach vielen Jahrzehnten wieder in der Lage ist, nachhaltig in die Qualität zu investieren.“ Entsprechend positiv ist die allgemeine Stimmung, mit der die deutschen Erzeuger aus allen 13 Anbaugebieten zur diesjährigen ProWein kommen, um der internationalen Weinwelt unter anderem ihren neuen Jahrgang 2008 zu präsentieren.
Jahrgang 2008: Qualität und Erntemengen überzeugen
Das nicht ganz einfache Jahr 2008 mit seinem regenreichen und wechselhaften Sommer ergab einen „Jahrgang nach Maß“. Die Winzer brachten mit 10 bis 10,5 Millionen Hektoliter eine gute Menge ein und zeigten sich laut DWI „mehr als zufrieden“. Die 2008er Weine präsentieren sich schlank und spritzig. Nach einem frühen Beginn der Blüte hatte sich der Sommer in vielen Anbaugebieten wechselhaft und niederschlagsreich gezeigt; vereinzelt gab es Hagelschäden, wie zum Beispiel an der Mosel, wo rund 500 Hektar betroffen waren. Der Herbst zeigte sich dann aber mit kühlen Nächten und sonnigen Tagen von seiner besten Seite, so dass die Erntephase sehr lang wurde und die Winzer abwarten konnten, bis die Trauben optimal ausgereift waren. Besonders die spät zu lesenden Sorten wie Riesling und Spätburgunder haben davon profitiert. Die Vegetationsperiode des 2008er Jahrgangs war vielfach über 120 Tage lang.
„Viel Frucht gepaart mit einer schönen Weinsäure“ findet Erbgraf Neipperg, VDP-Winzer aus Württemberg. Ökowinzer Philipp Wittmann aus Westhofen (Rheinhessen) berichtet von einem sehr guten, stabilen Gesundheitszustand der Trauben. Ahr-Winzer Ludwig Kreuzberg ist mit dem Ergebnis „rundum zufrieden“. Beim Weingut Reichsgraf von Kesselstatt hat man vom 13. Oktober bis 8. November gelesen und „hervorragende Qualitäten und gute Mengen“ eingefahren: „Ein typischer Kabinett-Jahrgang, der dem Jahrgang 1988 sehr nahe kommt.“ Auch die bei Ecovin zusammengeschlossenen Ökowinzer freuen sich über einen Jahrgang mit „guten Qualitäten, ausreichenden Mengen, feinen Aromen und ausgewogenem Säurespiel“, der auch Weine mit Lagerpotenzial hervorgebracht habe.
Deutsche Weintrends 2009:
Leichte Weine
Das Schlüsselthema in der deutschen Weinwirtschaft lautet 2009: Leichter Genuss. Die – traditionelle – Stärke der deutschen Weine ist ihr niedriger Alkoholgehalt. „Alkoholbomben“ sind aus der Mode. Wenig Alkohol, in Zeiten der Klimaerwärmung eine Herausforderung für viele Herkünfte, ist ein Trumpf, den die deutschen Winzer nun ausspielen wollen. Der Jahrgang 2008 hat es ihnen erlaubt, frische, fruchtige Tropfen zu keltern, die genau diesem Bedürfnis entsprechen. Deutschland zählt als „Cool-Climate“-Herkunft, und dass dieses Stichwort zugkräftig ist, beweist die Verkostungszone der ProWein in Halle 6, in der sich einige Hundert leichte, fruchtbetonte Rotweine, darunter auch viele deutsche, präsentieren.
Bioweine
Bio ist weiterhin ein Trend, der sich in fast allen Anbaugebieten immer mehr durchsetzt. Die größte deutsche Vereinigung zertifizierter Winzer ist Ecovin. Auf dem Ecovin-Gemeinschaftsstand (Halle 4 / D86) präsentieren sich zahlreiche Erzeuger mit ihrem neuen Jahrgang. Außerdem können Messebesucher die „Ecowinner“-Weine verkosten, die von einer Jury ausgewählt wurden.
Riesling
Deutschland ist Riesling! Auf diese Formel lassen sich die deutschen Weine besonders im Ausland leicht bringen. Im Sortenspiegel nimmt der edle Weiße mit 21,3 Prozent den mit Abstand größten Anteil ein; allein im Jahr 2007 wurden 500 Hektar neu bepflanzt, was der Größe eines der kleineren Anbaugebiete entspricht. Bei den Neupflanzungen ist generell festzustellen, dass es nach Jahren des „Rotweinbooms“ eine Wendung zugunsten der Weißweinsorten gegeben hat.
Die „rieslingreichsten“ Anbaugebiete sind die Pfalz (die 2008 mit 5.455 Hektar Riesling-Fläche nicht nur die Mosel mit 5.376 Hektar überflügelt hat, sondern damit sogar das größte Riesling-Anbaugebiet der Welt ist), Mosel, Rheinhessen, Rheingau und Württemberg. Den höchsten Riesling-Anteil haben die Anbaugebiete Rheingau, Mittelrhein, Mosel und die Hessische Bergstraße.
Vergleicht man die heutigen Flächen mit dem Stand von 2004, werden die aktuellen Trends in der deutschen Weinbranche deutlich. Weißweinsorten nehmen in Deutschland zur Zeit 63,2 Prozent der Fläche ein. Dabei gewinnen klassische Qualitätssorten wie Riesling, Grau- und Weißburgunder ebenso an Bedeutung wie die international eingebürgerten Sorten Chardonnay und Sauvignon Blanc. Dagegen sind traditionelle Bukettsorten und die eher als Massenträger eingesetzten Sorten Müller-Thurgau, Kerner und Silvaner auf dem Rückzug.
Bei den Rotweinsorten (36,8 Prozent Flächenanteil) ist das Bild differenzierter. In diesem Bereich spielen Neuzüchtungen eine Rolle. So verbuchte der Spätburgunder insgesamt Zuwächse, die allerdings geringer sind als etwa beim Riesling. Auch Lemberger und St. Laurent gewannen etwas hinzu. Der Dornfelder hat einen leicht verringerten Anteil. Stärkere Rückgänge gab es beim Portugieser und Schwarzriesling. Merlot und Cabernet Sauvignon konnten zunehmen, doch nicht so stark wie Chardonnay und Sauvignon Blanc. Regent, Acolon, Cabernet Dorsa und andere Neuzüchtungen konnten einige Hektar zulegen.
Deutsche Erzeuger zur ProWein 2009
Die ProWein ist die bedeutendste Leistungsschau der deutschen Weinwirtschaft. Unter den über 3.000 Ausstellern der ProWein präsentieren in diesem Jahr mehr als 740 Weingüter, Genossenschaften, Kellereien und Gemeinschaftsstände von Anbaugebieten, Organisationen oder Verbänden die Vielfalt der deutschen Weinszene. Das DWI präsentiert sich in diesem Jahr in Halle 4 (F85) mit dem Schwerpunktthema „Leichte Weine“. Unter anderem wird der neue Weinlagenatlas vorgestellt, der mit Satellitenaufnahmen erstmals einen absolut exakten Überblick über alle deutschen Weinlagen gibt.
Der VDP ist 2009 mit 147 Erzeugern so zahlreich wie noch nie zur ProWein in Halle 4 (F37, G36, J86) vertreten. Die ProWein ist für die deutschen Elitewinzer der Schlüssel zu den Absatzmärkten der Welt und die Top-Adresse für umfassende internationale Kontakte. Der VDP- Stand bietet eine optimale Gelegenheit, den neuen Jahrgang zu verkosten sowie sich einen Überblick über die Weine der Top-Kategorie Erste Lage (Große Gewächse) zu verschaffen. Besucher können sich auch auf ein täglich wechselndes Rahmenprogramm freuen, das der VDP zusammen mit der Deutschen Wein- und Sommelier-Schule sowie der Sommelier Union Deutschland unter dem Titel „WeinWortWechsel“ präsentiert.
Alle Anbaugebiete vertreten
Viele Anbaugebiete präsentieren sich mit Gemeinschaftsständen. Zu den größten gehören die Anbaugebiete Baden (4 F26) und die Württemberger Winzergenossenschaften (4 D33). Die Württemberger stellen 2009 die Rebsorte Trollinger in den Vordergrund. Bei den Winzern aus Rheinhessen (4 G66) wird voraussichtlich der Silvaner eine Rolle spielen, denn das größte deutsche Anbaugebiet hat neben Franken den größten Silvaner-Anteil. Die Rebsorte feiert zudem in diesem Jahr ihr 350-jähriges Jubiläum in Deutschland. Ebenso können die Weine aus der aktuellen Kollektion „Selection Rheinhessen“ verkostet werden. Die Pfalz (5 H142) wird sich auf ihrem Gemeinschaftsstand mit noch mehr Winzern als bislang präsentieren. Auch Franken (4 F28) steht 2009 im Zeichen der Jubiläumssorte Silvaner, die in Castell 1659 erstmals gepflanzt wurde. Weitere interessante Gemeinschaftsstände bieten die Anbaugebiete Mosel (4 D68), Sachsen (4 H06), Rheingau (4 G21) und Saale-Unstrut (4 A06).
Darüber hinaus gibt es interessante Gemeinschaftspräsentationen von Winzergruppen zur ProWein 2009. Aus Rheinhessen stammen zum Beispiel die jungen Winzertalente der Vereinigung Message in a Bottle (4 D81) deren Motto lautet: Austausch geht vor Missgunst. Mitglied Klaus-Peter Keller (VDP-Winzer) findet: "Nirgendwo sonst sind die Winzer momentan so lern- und begeisterungsfähig wie in Rheinhessen!" Das Pfälzer Barrique-Forum (5 J141) versammelt rund 50 Winzer aus der Pfalz, die jedes Jahr durch eine Blindverkostung eine Kollektion der Großen Weine zusammenstellen.
Die deutschen Winzer haben mit ihren Qualitäten ein solides Fundament für die Zukunft gelegt. Nun scheint es an der Zeit, den deutschen Weinen ein neues, moderneres Image zu verpassen. Dies wird beim Deutschen Weininstitut (DWI) der Kern der Positionierung der deutschen Weine im Jahr 2009 sein. Das Ziel ist laut DWI-Geschäftsführerin Monika Reule, „das Image des deutschen Weines als qualitativ hochwertiges Produkt im internationalen Wettbewerb“ zu stärken. Ein wichtiger Schritt dahin und die erste Feuerprobe in diesem Jahr ist die ProWein in Düsseldorf!
Der Autor Dr. Rolf Klein ist Mitbegründer und ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift „Weinwirtschaft“ aus dem Meininger Verlag. Heute arbeitet Dr. Rolf Klein als selbstständiger Weinjournalist.