Die 2008 entstandene Vereinigung „Wines of Turkey“ (WOT) mit ihrem Direktor Taner Ögütoglu fährt beim Marketing eine Doppelstrategie: Sie will einerseits die Exporte steigern und türkischen Wein im Ausland als hochwertige Marke mit ganz eigenem Charakter positionieren – und auf der anderen Seite die Weinkultur in der Türkei fördern, um so auch dort den Absatz zu verbessern. „Wir waren einmal die Wiege und das Herz des Weinbaus auf der Welt“, sagt Ögütoglu, „heute können wir den Konsumenten Weine anbieten, die sie nirgendwo sonst finden“. Die beiden wichtigsten Exportmärkte sind Deutschland und Großbritannien. In „Almanya“ will WOT dafür sorgen, dass künftig mehr Wein nicht nur in den türkischen Geschäften, sondern auch im normalen Handel und in der Top-Gastronomie vermarktet wird. Die ProWein steht deshalb seit 2010 als Pflichttermin im Kalender, mit den auf der Messe in Düsseldorf generierten Neukontakten ist Taner Ögütoglu sehr zufrieden: „Die Qualität der internationalen Fachbesucher ist hoch, und die Messe wächst jedes Jahr weiter.“
31 Betriebe gehören „Wines of Turkey“ inzwischen an. Sie decken 99 Prozent der gesamt Qualitätsweinproduktion ab. Zu den Mitgliedern zählen für türkische Verhältnisse traditionsreiche Güter wie die 1962 gegründete Pamukkale Winery oder das 1958 in Tokat gegründete Unternehmen Diren Wines, aber auch viele Newcomer . Akin Ongor, der vor 13 Jahren in Akhisar in der Ägäis-Region mit dem Weinmachen begann, war davor CEO einer großen Bank gewesen, Selim Zafer Ellialti mit seinem 2009 gestarteten Premium-Weingut Suvla bei Çanakkale Chef von Microsoft Turkey. Mustafa Çamlica, Inhaber eines Istanbuler Wirtschaftsprüfungsunternehmens, belebte immerhin eine Generationen alte Familientradition wieder, als er sich 2007 entschloss, in Thrakien sein Weingut Chamlija aufzubauen. „Für guten Wein“, sagt der 51jährige, „würde ich fast alles tun“. Auch Can Ortabaş zählt zur Kategorie der positiv weinverrückten Quereinsteiger: Bevor er zu Anfang des Jahrtausends auf der Karaburun-Halbinsel bei Izmir die ersten Reben pflanzte, war er als erfolgreicher Unternehmer mit der Aufzucht und dem weltweiten Handel von Palmen und Olivenbäumen tätig. Zum äußerst modernen Weingut Urla, das sich komplett der Biodynamie verschrieben hat, gehört ein stylishes Boutiquehotel.
Auch das Weingut Sevilen mit seinen 160 Hektar Fläche in der Nähe von Izmir und in Zentralanatolien setzt auf den Tourismus. Das gutseigene Restaurant Isabey glänzt mit feiner französischer Küche und den dazu passenden Weinen aus eigener Produktion – natürlich von einem französischen Önologen kreiert: Florent Dumeau. Seyit Karagozoglu, Besitzer des Weingut Paşaeli, startete seine Karriere 1993 als Importeur, nachdem er Weinbauregionen in der ganzen Welt besucht hatte. Seit 2005 produziert er auch selbst. Die Zukunft des türkischen Weines sieht Karagozoglu in der Nische als Geheimtipp hoher Qualität. „Wir brauchen die Medien, Sommeliers und Top-Gastronomie in unseren wichtigsten Zielländern, wie Deutschland, Großbritannien, Holland, Skandinavien, den USA, Japan und später auch Russland, um bekannter zu werden. Unsere Weine sind einzigartig.“ Was den Binnenmarkt betrifft, setzt Karagozoglu auf die rasch wachsende Zahl vor allem jüngerer Türkinnen und Türken, die sich für Wein interessieren – und auf eine andere Alkohol-Steuerpolitik der Regierung: „In einer Demokratie sollte eigentlich jeder selbst entscheiden dürfen, wie er leben und was er trinken möchte.“
Thomas Brandl