"Wir setzen damit einen Benchmark für die Qualität und Authentizität chilenischer Weine in der ganzen Welt."
350 Kilometer weiter südlich ist für einen der ganz Großen der chilenischen Weinszene im September 2012 ein persönlicher Cool-Climate-Traum in Erfüllung gegangen: Eduardo Chadwick, Besitzer der traditionsreichen Viña Errazuriz, des Weingutes Arboleda und Schöpfer des gemeinsam mit Robert Mondavi entwickelten Kultweines Seña. Sieben Jahre nach Anpflanzung der ersten Reben nur zwölf Kilometer vom Pazifik entfernt bekam das neue Anbaugebiet Aconcagua Costa den offiziellen Segen der Behörden als eigene „Denominación de Origen“ (DO).
232 Hektar hat Chadwick dort mit Sauvignon Blanc, Chardonnay, Pinot Noir und Syrah bestocken lassen, alles am Hang und mit unterschiedlicher Sonnenausrichtung: „Wir setzen damit einen Benchmark für die Qualität und Authentizität chilenischer Weine in der ganzen Welt.“ Prompt wurde der Chardonnay Aconcagua Costa 2011 aus dem Hause Errazuriz bei den Annual Wines of Chile Awards (AWoCa) im Januar 2013 als bester Chardonnay des Landes ausgezeichnet.
Doch Chadwick ist nicht der einzige „Grande“, der das außergewöhnliche Potenzial der neuen DO erkannt hat. Aurelio Montes, gleichfalls einer der profiliertesten Köpfe des chilenischen Weinbaues, produziert bereits auf 84 neu angelegten Hektaren Fläche unter anderem einen Sauvignon Blanc, der schon in seinen Namen trägt, welche Ambition dahinter steckt: „Outer Limits“. Der chilenische Weinjournalist Eduardo Brethauer hält ihn für einen weiteren Wegweiser in die Zukunft: „Enorme aromatische Komplexität mit viel Körper, ein Wein, der weniger in der Nase als vielmehr am Gaumen beeindruckt. So etwas gab es früher nicht bei uns.“ Auch Pinot Noir bringt im kühlen Klima von Aconcagua Costa interessante Ergebnisse. Bei Chadwick sitzt deshalb schon seit zwei Jahren Louis-Michel Liger-Belair vom Chateau de Vosne-Ramanée als Berater mit im Boot.
Im Valle de San Antonio, zu dem die vier Untergebiete Leyda, Lo Abarca, Rosario und Malvilla gehören, rücken die Weinberge sogar noch näher ans Meer - bis auf vier Kilometer. In den vergangenen zehn Jahren sind dort viele neue Pflanzungen entstanden, von denen hauptsächlich sehr frische, mineralische Sauvignon Blancs, Chardonnays, Pinot Noirs und Syrahs kommen. Maria Luz Marín, Gründerin des inzwischen hoch angesehenen Weingutes Casa Marín, brach vor zehn Jahren mit dem Dogma, dass Weißwein aus Chile möglichst billig sein muss, um sich auf den Exportmärkten der Welt verkaufen zu können.
Als sie ihren ersten Sauvignon Blanc 2003 auf einer britischen Weinmesse für umgerechnet 30 Euro anbot, wäre sie beinahe für verrückt erklärt worden. Heute hat sie es geschafft. Absatzsorgen kennt die willensstarke Chilenin keine – und dass ihr Wein vor zwei Jahren beim Concours Mondial de Sauvignon Blanc in Frankreich die „Golden Trophy“ einheimste, war für sie mehr als nur späte Genugtuung.
Das eigentlich im Valle de Curicó ansässige Weingut Aresti hat ebenfalls das Potenzial von Leyda erkannt und produziert dort in kleiner Auflage unter dem Namen Trisquel einen vielschichtig-mineralischen Sauvignon, der 2012 bei der Catad'Or Grand Hyatt als bester Weißwein Chiles ausgezeichnet wurde.
Kein Zweifel: Das lange schmale Land in Südamerika hat große Pläne für die Zukunft und ist gerade erst dabei, seine unterschiedlichen Terroirs zu entdecken und sich mit ihnen auseinander zu setzen. Heute schon der fünfgrößte Weinexporteur weltweit, will Chile bis 2020 seine Exporte im Wert auf drei Milliarden US-Dollar verdoppeln. 2012 gab es zwar eine Steigerung um sechs Prozent auf 1,79 Milliarden Dollar, doch diese war zu einem beträchtlichen Teil auf Bulk-Weine zurück zu führen. Mit den neuen Cool-Climate-Kreszenzen gewinnt Chile beständig an Profil – und zeigt der Welt, dass es viel mehr kann als fruchtig und „easy drinking“.
Thomas Brandl