Die Rebsorte gehört zu den wichtigsten Faktoren bei der Kaufentscheidung. So werden manche davon zu Trends, die fast unabhängig von der Herkunft funktionieren. Sauvignon Blanc wird heute rund um den Globus angebaut. Er gilt als hochwertiger Weißer, der sich qualitativ nicht verstecken muss.
Der Titel deutet es schon an. Die erste „Sauvignon Blanc Celebration“ im Februar 2016 sollte keine Konferenz werden, mehr eine Feierlichkeit. Entsprechend launig ging es dann auch zu. Im neuseeländischen Marlborough versuchten Redner, die Identität der Sorte in eine griffige Phrase zu packen und fanden Bilder vom „treuen Labrador“ der Weinszene über „Pizza Magherita“ bis zum „Rock Star“. Bei dem „kometenhaften Aufstieg“ legte einer sogar den Vergleich mit David Bowie nah. Recht hatten sie vielleicht alle. Irgendwie. Der Wiedererkennungswert der Stachelbeer-Lychee-Passionsfruchtnoten ist verlässlich hoch, vor allem in den frisch-fruchtigen Varianten. „Guter Sauvignon Blanc“, schwärmte Buchautor und TV-Moderator Oz Clarke, „zaubert ein Lächeln auf die Lippen“.
Derzeit auch immer öfter mit ein paar Kohlensäureperlen. Versektete Sauvignon Blancs treffen einen breiten Geschmack für zugängliche Weine. Andere Winzer wie der Pinot Noir-Spezialist Schubert gewinnen der Sorte im Barrique Tiefe ab. Etwas vor der Reife geerntet kommen noch Noten von frischem Gras und herben Kräutern dazu. Was bei anderen Rebsorten als unreif bemäkelt wird, gilt bei Sauvignon Blanc als schick. Das ist praktisch für den Winzer. Obwohl die Sorte recht anfällig für Krankheiten ist, sind An- und Ausbau meist ohne Lagerung, preiswert zu meistern. Ordentliche Qualitäten gibt es schon für ein paar Euro.
Tatsächlich ist Sauvignon Blanc eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der Weinwelt seit dem späten 20. Jahrhundert. Man kann sagen, dass sie in Neuseeland ihren Anfang nahm. Dort wurde 1973 der erste Weinberg mit Sauvignon Blanc bepflanzt. Ab den Achtzigern kamen die fruchtigen Tropfen international in Mode. Vor allem der kalt vergorene Stil mit viel Frucht und Frische hängte jede Menge Konkurrenten ab. Zwischen süßlichen Varianten aus Kalifornien und allzu neutralen Weinchen aus dem Mittelmeerraum fiel ein Sauvignon Blanc immer angenehm auf.
Dass neben der präzisen Frucht auch große Konzentration und Tiefe stehen kann, bewies als erstes Cloudy Bay. In der Region Marlborough, aus der bis heute die meisten Sauvignon Blancs kommen, füllte das 1985 gegründete Gut Weine ab, die bald zu den besten der Welt zählten und als Referenz für die Qualität der Sorte schlechthin gelten. Ein ziemlich einmaliger Aufstieg und nebenbei noch die Ablösung der schweren barriquegeprägten Chardonnays der Neunziger. Marlborogh steht bis heute für den klaren fruchtbetonten Stil. Neuseeländischer Sauvignon Blanc besetzt in vielen Ländern das Premiumsegment, ist in Großbritannien sogar Marktführer. Auch in Deutschland, wo Neuseeland ein Nischendasein führt, sind 85 Prozent der Weine Sauvignon Blancs.
Heute ist die Weinproduktion mit rund 900 Millionen Euro Jahresumsatz das sechstgrößte Exportgut Neuseelands, und die Branche hat Ambitionen, das Volumen bis 2020 zu verdoppeln. In Marlborough stehen die Reben schon recht dicht. Die Flächen für Neuanpflanzungen sind begrenzt. Aber Regionen wie Hawke’s Bay legen zu, auch qualitativ. Das kalt-sonnige Klima der Doppelinsel erlaubt Reife, erhält die Säuren und ist fast ideal für die Sorte. Sicher passt auch die lebenshungrige Mentalität der Neuseeländer, die kurz nach dem neuen Sauvignon Blanc-Stil noch das Bungee-Springen erfunden haben.
Botanisch das andere Ende der Welt
Die Machart hat sogar ein bisschen Staatsraison. Perfekt reif gelesen – besser mit Maschine als von Hand – und kalt-reduktiv vergoren bringt er einen exotisch-fruchtigen Wein fast ohne jeden Nebenton hervor. Die Regierung Neuseelands verlangt von den Winzern sogar ein Export Zertifikat, in dem unter anderem diese Eigenschaften geprüft werden. Auch die Forschung zur Produktion von gefragten alkoholarmen Weine mit neuen Gärmethoden unterstützt die Staatsmacht.
So ist der moderne Sauvignon Blanc genau das richtige für Leute, die wenig Experimente, doch viel von einem herzeigbaren Wein wollen. Nicht selten werden Frauen als Hauptabnehmer der unkompiliziert-fruchtigen Sauvignon Blancs genannt. Kenner sprechen ironisch von „soccer mom’s favorite“. Gesicherte Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache. In Großbritannien stellte man kürzlich etwas verwundert fest, dass auch Abgeordnete der hohen Häuser ihren Beitrag leisten. Auf Nachfrage teilte die Parlamentsverwaltung mit, dass Sauvignon Blanc mit 50.000 Flaschen – vor Bier – zwischen 2012 und 2013 das meistgeorderte Getränk in den Bars von Westminster war. Die botanische Heimat des Sauvignon Blanc liegt von Neuseeland aus am Ende der Welt.
Zum ersten Mal tauchte sie 1534 in François Rabelais’ phantastisch-groteskem Ritterroman „Gargantua“ auf. Einen viel besseren Einstand als neben dem schlemmenden Riesen Gargantua, der sie zu Gebäck empfiehlt, kann man sich kaum vorstellen. Im 18. Jahrhundert kennt man bereits die Herkünfte Sancerre and Pouilly an der Loire. Genetische Untersuchungen ergaben, dass die Sorte unter anderem eng verwandt ist mit Chenin Blanc, Grünem Veltliner, Silvaner, Rotgipfler, Teinturier, Verdelho und diversen Pinots. Farbmutationen wie Sauvignon Gris, -Rosé, -Rouge und Synonyme wie Fié, vom Lateinischen ferus, wild, verweisen auf eine sehr alte Sorte.
Zusammen mit Chenin Blanc gehört sie zum Grund-Repertoire der Loire. Durch langen Hefekontakt werden die Weine hier oft rauchig, was sich im Namen Fumé Blanc widerspiegelt. An den über tausend Kilometern des Flusslaufs mit ihren unterschiedlichen Terroirs aus Feuer- und Kalkstein entstanden so zahlreiche stilistische Spielarten. Diese Vielfalt findet sich nur hier. Vor allem in den siebziger und achtziger Jahren waren diese Weine international erfolgreich und Vorbild. An der Loire sind sagenhafte vierzig Prozent der Winzer Frauen.
Château Margaux 1710
Ausgerechnet in der Rotwein-Metropole Margaux kannte man den Sauvignon Blanc auch schon um 1710. An den Ufern der Gironde sind die Bedingungen ähnlich günstig. Hier kreuzte sich die Sorte einerseits spontan mit Cabernet Franc zu Cabernet Sauvignon. Andererseits liefert sie in den feuchten Flusstälern südlich der Stadt Bordeaux das Grundmaterial für Sauternes, den feinsten und teuersten Süßwein der Welt.
Die großen Mengen wie Entre-deux-mers reifen ohne Pilzbefall zu frischen, fruchtigen Weißweinen heran, die zurzeit sehr geschätzt sind. Das Gros davon sind gute Trinkweine. Superstars wie Haut-Brion, Cos d'Estournel, Smith Haut Lafitte und – wieder – Château Margaux machen ebensolche Weine. Auch wenn sie in dem ausgewiesenen Rotwein-Gebiet als einfache Bordeauxweine abgefüllt werden müssen.
Mit rund 27.000 Hektar ist Sauvignon Blanc die weißen Sorte mit der drittgrößten Anbaufläche Frankreichs, deren größter Teil im Roussillon und Languedoc liegt. Weiter südlich gedeiht die Rebe nicht mehr sehr gut. Poggio alle Gazze von Ornellaia in der Toskana oder Miguel Torres mit den Hochlagen des katalanischen Fransola bleiben da die Ausnahme.
Die Kombination aus kaltem Klima und kargen Böden findet sich aber an verschiedenen Stellen in Norditalien. Im Piemont macht Angelo Gaja mit dem Alteni di Brassica einen Wein, der als Referenz gelten kann. Andere engagierte Winzer bauen Sauvignon Blanc in Südtirol und dem Friaul an. Auf den schroffen Böden der kalten Voralpengebiete machen die besten Winzer wie die Cantina Terlano in Südtirol oder Marco Felluga im Friaul Weine von großer Tiefe und Alterungsfähigkeit.
Auch auf der Nordseite der Alpen stimmen die Standortfaktoren. Sauvignon Blanc gibt es in Österreich schon seit dem 19. Jahrhundert. So richtig in Fahrt kam die Branche Ende der neunziger Jahre. Das Weinviertel, das Burgenland und vor allem die feuchtwarme Steiermark haben sich einen großen Namen gemacht. Auch wenn die Terroirs recht unterschiedlich sind, bestechen die besten Österreicher mit konzentrierten Mineraltönen, die man als eigenen Stil verstehen kann.
Die Attraktivität der Sorte ist natürlich auch Winzern in Deutschland nicht entgangen, wo man seit Längerem nach Alternativen zum übermächtigen Riesling Ausschau hält. Die Anbauflächen in den besonders warmen Regionen Pfalz, Baden und Rheinhessen, sind auf ansehnliche 850 Hektar angewachsen. Aha-Erlebnisse bescheren allerdings vor allem Spitzenwinzer. Oft schmeckt die Frucht herb wie Holunderblüten und schwarze Johannisbeeren. Trotz Klimawandel fehlt es mitunter an Sonne. Noch.
Mit Künstlername in Kalifornien
Auf dem Balkan haben Rumänien und Moldawien mit 3200 bzw. 8150 Hektar große Anbauflächen. Für höhere Qualitäten sind die heißen Sommer aber problematisch, außer in Slowenien. Auf Sizilien, wo so viele Rebsorten einen herausragenden Standort finden, ist auch Sauvignon Blanc zu Hause. Die Hänge des Ätna mit ihren krassen Temperatur-Unterschieden gelten zu Recht als heiße Tipps.
Während die Herstellerpreise im alten Europa stiegen, fand der Sauvignon Blanc nicht nur in Neuseeland eine neue Heimat. In Kalifornien musste sich die Sorte Blanc erst mal mit dem Chardonnay messen. Seit den sechziger Jahren war der Ruf der süßlichen Sauvignon Blancs so ruiniert, dass Marketing-Fuchs Robert Mondavi den Namen Fumé Blanc übernahm, um damit auf bessere Weine im Loire-Stil zu verweisen. Mit Erfolg. Der kräuterige Charakter kam aber nicht immer an, ebenso wenig wie die berühmte Katzenpipi-Note unreif geernteter Trauben.
Die Winzer tüftelten weiter, passten Laubschnitt und Fermentation an, heute wächst Sauvignon Blanc in einigen der besten Lagen. Als cool spots gelten die Central Coast mit Santa Ynez und neuerdings auch Napa. Die herben Töne haben die Winzer im Griff oder lindern mit konzentrierter weicher Frucht. Die besten kommen einmal mehr von großen Rotwein-Winzern wie Chateau Montelena, Grgich Hills oder Mondavi. Obwohl der Absatz stagniert, gilt Sauvignon Blanc als Topsorte. Flaschenpreise von 100 Dollar sind drin, erhältlich auf Allokation.
In Südafrika steht der Sauvignon Blanc neben der gefühlten Nationalrebe Chenin blanc. Der antarktische Einfluss bietet aber beste Bedingungen. Sauvignon Blanc gibt es fast überall. Der dynamische Weinbau Südafrikas findet genialische Ausdrucksmöglichkeiten von grasig-frisch wie in Elgin über salzig in Elim bis zu den Tropenfruchtbomben von Avantgardisten wie Neil Ellis in Stellenbosch. Neben intensiven Mineraltönen haben die Weine angenehme Fülle. Viele Winzer betonen seine fruchtige Intensität, mit der er in Südafrika den Chardonnay überholt hat und nicht wenigen Touristen auch daheim ein Leuchten in die Augen zaubert.
Die mild-exotisch-fruchtige Seite des Weins trifft man auch in Chile, wo Sauvignon Blanc zu einem der wichtigsten Trinkweine avanciert ist. Nördlich von Santiago entstehen immer bessere Tropfen. Chile hat insofern einen eigenen Ausdruck für Sauvignon Blanc gefunden, als dass viele alte Stöcke in den Regionen Curicó and Maule botanisch wahrscheinlich Sauvignonasse- resp. Friulano-Reben sind. Die Sorten werden bezeichnungsrechtlich nicht unterschieden. Chiles Terroirs tragen viel zu einem eigenen Profil bei. Selbst Weine in großen Stückzahlen, wie Aurelio Montes’ Outer Limits aus küstennahen Lagen bieten viele Mineraltöne.
Zwischen Inka-Stadt und Salzwüste
In extremen Klimata wie der Atacama-Wüste wachsen Sauvignon Blancs mit äußerst spärlichem Wasserhaushalt und überaus komplexen Mineralnoten. Kämpfe mit dem Klima, wie auch dem Klimawandel sind die Chilenen gewöhnt. Da klingt es fast logisch, wenn Montes eine Versuchspflanzung im peruanischen Machu Picchu anlegt. Auf 5000 Meter Höhe stehen seine Sauvignon Blancs in direkter Nachbarschaft zu der Inka-Stadt.
Überraschend wenig Sauvignon Blanc wurde bis vor einiger Zeit in Australien angebaut. Vielleicht waren die Weine der neuseeländischen Nachbarn einfach zu gut, viele australische Regionen aber zu heiß. Saftige Sauvignon Blancs kommen aus Adelaide Hills, Coonawarra, Western Australia. Sahnehäubchen sind Weine von der Insel Tasmanien. Deren Klima zwischen der australischen Südküste und der Antarktis steht längst für Spätburgunder und Schaumweine. „Lady A" der gleichnamigen Domaine A am Coal River orientiert sich an barriqueausgebauten Bordeaux', vergärt und gelagert in französischen Barriques. Mit seiner puren Frucht, Noten von Lavendel, Vanille und seiner fast unergründlichen Tiefe lässt er ahnen, was von Sauvignon Blanc noch zu erwarten ist.