Provence – lila Felder und rote Rebstöcke, aber Rosé hat den größten Zauber
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Provence – lila Felder und rote Rebstöcke, aber Rosé hat den größten Zauber
Über Sonnenschein und gute Küche hinaus steht die Provence für eine Kultur der Schönheit und des leichtlebigen Genusses. Der Rosé schien dazu immer die perfekte Begleitung zu sein. Wenn auch manchmal in einer sehr laxen Haltung produziert. Rosé aus der Provence galt lange Zeit als eher simples Vergnügen. Mit dem weltweiten Rosé-Boom geriet der lachsfarbene Wein aber wieder ins Rampenlicht. Und viele Winzer wissen, was von ihnen erwartet wird.
Wein wächst in gemäßigten Breiten. Oft stehen die Reben in der Nachbarschaft von Palmen, Feigenbäumen oder Zypressen. Deshalb sind fast alle Weinlandschaften schöne, sonnige Orte. Die Provence aber ist mehr, ein Sehnsuchtsort. Weinberge und Lavendelfelder im Sonnenlicht liefern fast an jeder Ecke ein Postkartenmotiv. Die Küche gehört zum mediterranen Grundrepertoire. Städte wie Avignon und Aix-en-Provence zählen zum wertvollsten Kulturerbe Europas. Im Licht der Provence gab Vincent van Gogh der Welt mit rosa Wolken, roten Rebstöcken und grünen Feen einen neuen Ausdruck und der modernen Malerei damit einen entscheidenden Schub.
Schon vor 2600 Jahren wurden hier die ersten Weine angebaut, früher als irgendwo sonst in Frankreich. Darüber hinaus haben die Provençalen den Rosé erfunden. Wenn auch vielleicht nicht in technischer Hinsicht. In der Antike wurden rote Trauben allgemein ohne Maischestandzeit gekeltert.
Aber die rosa Tropfen sind fast synonym mit dem Anbaugebiet und seinem lockeren Lifestyle. 89 Prozent der Fläche entfallen auf Rosé. Mit 156 Millionen Flaschen erzeugt die Provence 42 Prozent des französischen Rosés und sechs Prozent der Weltproduktion. Typisch ist noch immer ein eher heller Stil mit sehr kurzem Schalenkontakt. In den letzten Jahren ist Saignée beliebter geworden, für den ungepresster Most von einer Rotweinmaische abgezogen und vergoren wird.
Als Ausgangsmaterial können die Winzer zwischen 13 Rebsorten wählen. Mit Syrah, Grenache, Mourvèdre, Carignan und Cinsault sind rote Sorten mit Potenzial dabei. Klassisch ist die meistangebaute Grenache dabei für den fruchtigen Körper verantwortlich, Cinsault, die besonders im Osten gepflanzt wird, für die Blumigkeit und Würze.
Die schwach pigmentierte Tibouren kann mit ihrer fein-floralen Art eigene Finesse beisteuern. Syrah, Nummer drei der Hitliste, die sich besonders in der Nähe der Rhône-Mündung findet, mit ihren Tanninen oder Mourvèdre mit ihren Gewürznoten sind Variationsmöglichkeiten. Die autochthonen Sorten Barbaroux und Calitor (vui), werden allerdings per Gesetz nicht mehr nachgepflanzt.
Mit 2800 Sonnenstunden und 700 Milliliter Regen sind die Anbaubedingungen ideal. Der meiste Regen fällt im Frühjahr und im Herbst. Manchmal pfeift auch der Mistral über die Hügel. Der tagelange kalt-trockene Nordwind kann vor allem im unteren Rhônetal die Rebstöcke angreifen, verscheucht aber auch manchen Schädling. Viele Weinbauern nutzen das, um gleich biologisch anzubauen. Geschützte Südlagen sind daher auch in der Sonnenregion beliebt. Aushängeschild sind die pittoresk modellierten Terrassenlagen „restanques“, die nur manuelle Rebarbeit erlauben.
Niedrige Einzelstöcke waren deshalb früher die Regel. Heute sind viele Winzer zu modernen, oft niedrigen Rahmensystemen übergegangen und richten die Rebzeilen nach dem Wind aus. Auf den 200 Kilometern vom Rhône-Delta im Westen zu den Hügeln von Nizza im Osten verteilt sich das Anbaugebiet auf vier Départements: Var, Bouches du Rhônes, Vaucluse, Alpes de Haute Provence und Alpes Maritimes. Die Terroirs variieren vom kalten Voralpenland bis zur Côte d‘Azur.
Rot holt auf
Einzelne Subregionen heben sich ab. Bandol ist besonders für seinen Mourvèdre berühmt, der auf den Kalkunterlagen dichte, seidige Tannine und Wildbeeren-Aromen entwickelt. Etwas weiter westlich an der Küste entlang kommt man in das Hafenstädtchen Cassis, nach dem die älteste Appellation der Provence benannt ist. Dessen Weißweine aus Sémillon, Marsanne, Ugni Blanc und Clairette ergeben komplexe, sehr trockene Weine, die zwischen floral und jodig changieren.
Die meisten Böden bestehen entweder aus erodierendem Kalkstein mit dem typischen Garrigue oder aus Kristallin. Der Felsstein hat sich viele Kilometer unter der Erdoberfläche gebildet und ist oft mit Maquis bewachsen. Beide sind Magervegetation und ergeben keinen Humus. Kurz: die Provence ist trocken und der Boden gut drainiert, beste Voraussetzungen für den Weinbau. Die Böden neigen allerdings zur Erosion, daher die Terrassen.
Der blassrosa Rosé mit seinem unaufdringlichen Stil wird wohl auf unabsehbare Zeit das Markenzeichen der Provence bleiben. Viele ambitionierte Winzer halten sich von dem Hype lieber fern. In der Provence haben sich Liebhaber aus aller Welt, die es sich leisten konnten, niedergelassen, am liebsten gleich mit Weingut. Land- und Immobilienpreise haben sie als erstes nach oben getrieben. Aber mit Investitionen in neue Technik öffneten sich auch Türen für neue Qualitäten.
Quereinsteiger peilen mit großen Investitionen und kompetenten Beratern die oberen Qualitätsbereiche an. Sie verlegen sich auf Rote, in denen unter den Voraussetzungen des Terroirs großes Potenzial steckt. Zum Sortenkanon zählt hier neben Grenache und Syrah auch Cabernet Sauvignon, der gute Ergebnisse liefert. Mit niedrigen Erträgen und umsichtigem Holzausbau entstehen aber auch aus Sorten wie Mourvèdre, Tibouren oder Beständen von Barbaroux eindrucksvolle Weine. Coteaux d’Aix und Côtes de Provence haben sich einen Namen gemacht. Auf rund 15 Prozent schätzt der Produzentenverband den Anteil der Roten bei den oft richtungsweisenden Quereinsteigern. Weißweine dagegen spielen auch hier eine Nebenrolle.
Eine Gesamtkunstwerk und ein monströser Stau
Mindestens drei Viertel des Weins ist Rosé, nicht zuletzt, weil er unwiderstehlich zu den Rahmenbedingungen passt. Die mediterrane Variante der französischen Küche mit Pastis und Kräutern der Provence, Tapenade und Bouillabaisse gehört zu den beliebtesten. Und der charmante Rosé passt so souverän zur Aal-Terrine wie zum dry-aged Steak vom Holzfeuer. Touristen vergessen nie die warmen Abende auf der Restaurant-Terrasse mit dem Zikaden-Konzert im Hintergrund.
Im Zusammenspiel mit Historie, Kunst, Esskultur und Wein ist die Provence eine der bedeutendsten Weinkulturlandschaften der Welt und nur mit der Toskana vergleichbar. Das Gesamtkunstwerk ist allerdings nicht von ungefähr entstanden. Die Geschichte des Anbaugebiets reicht 2600 Jahre zurück, als die Großmacht Griechenland hier mit den ersten Schiffen anlegte und das heutige Marseille gründete. Die Kolonisten brachten Reben inklusive Weinbautechnik mit. Vielleicht machten aber schon die Etrusker vor 4000 Jahren Wein in der Provence an, das legen neuere Funde nah.
Jedenfalls breitete sich der Weinbau von hier über ganz Frankreich aus. Ab 154 vor Christus etablierten die Römer die Provincia Romana und schenkten ausgedienten Legionären Landgüter, auf denen viele Veteranen Wein anbauten. Im Mittelalter wechselte die Herrschaft von Karl dem Großen zu den Katalanen, von Sardinien nach Savoyen meist unter Einsatz von Gewalt. Trotzdem entwickelten Mönche in der Zeit einen Weinbau mit guten Erträgen.
Ende des 19. Jahrhundert erwischte die Provence, wie alle Nachbarn in Europa die Phylloxera-Katastrophe. Pflanzmaterial zum wieder Aufreben besorgte man sich im Norden, in Italien und besonders auf Sardinien, was dem Rebsortenspiegel bis heute anzusehen ist. Die Weinwirtschaft blieb jedoch geschwächt und fand sich zu Genossenschaften zusammen.
Als die Volksfrontregierung 1936 bezahlten Urlaub für alle einführte, waren Palmen und Lavendelfelder auf einmal nicht mehr nur Motive auf Ölgemälden. Nach dem II. Weltkrieg wurde die „Autoroute du Soleil“ von Paris bis an die Côte ausgebaut und ließ die Besucherzahlen explodieren. Am 16. Februar 1980 schaffte es ein Stau von 176 Kilometer ins Guinness Buch. Die Landsleute aus dem Norden konnten gar nicht genug kriegen von Sonne, Meer und Wein. Namen wie Côte d’Azur und St.-Tropez wurden synonym für mondäne Freizeitgestaltung.
430 offene Türen für Weintouristen
Die Welt meinte es gut mit den provençalischen Winzern: geniale Anbaubedingungen, hohe Erntesicherheit, niedrige Produktionskosten, der Rosé de Provence als relatives Alleinstellungsmerkmal, eine sehr populäre Küche als Begleitung. Eine Region, die vom antiken Amphitheater bis zu den modernen Malern von kulturellen Erfolgen nur so strotzt – und die endlosen Touristenströme, die ihren Wein aufsogen und nichts lieber wollten als zu Hause weiter zu trinken.
Viele Winzer machten es sich in dieser Nische dann allzu bequem und machten zu viele uninspirierte Tropfen zu oft stolzen Preisen. Für Weinliebhaber spielte die Herkunft lange kaum eine Rolle, auch wenn Wein- und Lifestyle-Magazine ihren Lesern jedes Frühjahr mit einem lila Lavendelfeld auf der Titelseite eine Reise ins Land des Lichts aufdrängten.
Der Ruhm der hellrosa Tropfen verblasste. Das merkten zuerst die Winzer. Heute sieht man die kegelförmigen Flaschen, die mal das Erkennungszeichen für Rosé de Provence schlechthin waren, man kaum noch. Zu sehr lastet ihnen das alte Billig-Image an.
Das konnte so nicht weiter gehen. Nach der Jahrtausendwende rückte der Verband den Rosé de Provence mit modernen Heilmitteln wie Marktanalysen, Entwicklung von Vermarktungs-Instrumenten und gezielter Kommunikation wieder ins rechte Licht. Mit Erfolg. Zwischen der Camargue und Nizza öffnen heute satte 430 Weingüter ihre Türen für Gäste, die vielleicht auf einer der vielen ausgeschilderten Weinrouten reisen. Im schicken Maison des Vins Côtes der Provence liegen über 800 Weine ästhetisch aufgebahrt, käuflich zum Erzeugerpreis.
Weltstars gegen Konkurrenz aus aller Welt
Das war auch Zeit. Der weltweite Rosé-Boom, der im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts einsetzte, bescherte der Provence naturgemäß neue Aufmerksamkeit, aber genauso neue Konkurrenz. Zu Hochzeiten trugen acht Prozent aller Roséflaschen auf der Welt ein Etikett aus der Provence, heute nur noch sechs.
Von Katalonien bis Kalifornien entdeckten Winzer die Vorzüge des unkomplizierten Tropfens für sich. Mit dem Boom fächerte sich die Stilistik aber auch weit auf. Die Bandbreite reicht von fein-fruchtigen Saignées bis zu lange mazerierten Tempranillos und Syrahs. Deren Tannine und üppige Rotwein-Aromen repräsentieren ein ganz anderes Bewusstsein als das der Resteverwertung, die Rosé in manchen Regionen war.
Die Provençalen warfen notwendigerweise einen genaueren Blick auf Weinbergs-Management, Sortenwahl und die Kellertechnik, ohne die Kernkompetenz aus den Augen zu verlieren: lachsfarbener Rosé, verspielt und leicht wie ein Strandspaziergang in Fréjus. Triebfeder waren einmal mehr einzelne Winzer, die niedrige Erträge temperaturkontrolliert vinifizierten, kleine Extratouren wie Bâtonage oder gebrauchte Barriques inklusive.
Den größten Schub lösten aber Amateure aus. Als das derzeitige Promi-Traumpaar Angelina Jolie und Brad Pitt Miraval kaufte, schaffte es der Rosé de Provence schlagartig von den Weinmagazinen in die Klatschpostillen mit Millionenauflagen. Anders als zahllose andere Prominente, bei denen Weingüter, Brauereien oder Destillerien eher Impulskäufe sind und umso schneller wieder abgestoßen werden, stand Brangelina für Beständigkeit.
Zumindest ein paar Jahre stimmte das, auch wenn Miraval mittlerweile ein Scheidungskind geworden ist. Gemacht hat die Weine Marc Perrin, selbst Inhaber von Château Beaucastel, einem Châteauneuf-du-Pape, der besonders in den USA recht erfolgreich ist.
Die Billigheimer gibt es nach wie vor. Aber die neue Generation glänzt mit blass rosa und leicht zu trinkenden Weinen mit konzentrierten Aromen. Pfirsich, Honigmelone, Lychee, Mango, rosa Grapefruit, Mandarine und Johannisbeere, das seien die Farben des neuen Rosé, hat man beim Centre de Recherche et d'Expérimentation sur le Vin Rosé erforscht. „Aber immer hell und strahlend“, mahnt Direktor Gilles Masson. Die Fruchtaromen sollen sich nach Möglichkeit auch in den Weinen wiederfinden.
Auf der Suche nach neuen Käuferschichten stürzen sich die Provençalen munter in den Wettbewerb. Neben den klassischen Flaschen stehen Behälter von der gedrungenen Ginflasche bis zur Amphore. Auf quietschbunten Etiketten versuchen Namen wie „Emotion“, „Fleur de Mer“ und „Whispering Angel“ Aufmerksamkeit zu erregen. Bleibt zu hoffen, dass auch die Kundschaft die wahren Farben der Provence erkennt.