Touristen bewegen sich in der Normandie gern auf den Spuren von Adeligen und Künstlern des 19. Jahrhunderts, die die Küstenorte für sich entdeckten. Der Begriff „Tourismus“ soll in diesem Umfeld überhaupt entstanden sein. „Ich versichere Ihnen, uns steht die Welt offen“, beschreibt Jérôme Lecrosnier, Präsident der Poiré-Erzeugergemeinschaft die Zukunft. Ähnlich sehen das die Kollegen vom Calvados-Verband. Die Märkte USA, Japan, Australien und Südafrika sind aber noch winzige Erfolgsgeschichten. Knapp die Hälfte der Produktion, 2,8 Millionen Flaschen, wird in Frankreich konsumiert, der Rest fast ausschließlich in Europa, vor allem in Deutschland und Belgien.
Doch wie so viele fassgelagerte Brände kämpft Calvados mit einem gewissen Altherren-Image. Alle Verbände sind deshalb bemüht, den Verzehr auf möglichst viele Trinkanlässe auszuweiten, in denen weder ein Kaminfeuer noch ein älterer Herr vorkommt. In der Region selbst trinkt man Calvados traditionell zwischen zwei Gängen und nennt die appetitanregende Maßnahme „trou normand“, das normannische Loch. Auch an folkloristischen Anlässen wie der Fête du poiré in Mantilly fehlt es nicht.
Die Normandie ist berühmt für Milchprodukte, denn die Weiden in dem feuchten Klima sind fett. Käse wie Camembert, dazu Milch und Sahne dominieren die Küche. Selbst Karamell-Bonbons tragen hier ein AOC-Siegel.
Weitere Spezialitäten sind Meeresfrüchte aus dem kalten Atlantik vor der Haustür. Michel Huard empfiehlt Pommeau, Calvados mit Fruchtsaft, zu warmen Austern und Jakobsmuscheln. Offizielle Broschüren erweitern das Spektrum von Cidre und Poiré großzügig auf Gerichte wie Lamm oder Ente mit Ingwer und Sushi.
Die ganz großen Umsätze werden aber mit Mixgetränken eingefahren, und da will man nicht hinten anstehen. Seit 1997 werden die Trophées Internationaux des Calvados Nouvelle Vogue für die besten Mixgetränke an Barleute weltweit vergeben. Die wohl größte Calvados-Bar „Calvador“ liegt auch nicht in Paris, sondern in Tokio.
Matthias Stelzig