Heute wird eine ganze Reihe spanischer, französischer und italienischer Rotwein-Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Tempranillo, Syrah, Zinfandel, Grenache und Cabernet Franc gepflanzt. Eine gewisse Hitzeverträglichkeit ist fast allen gemein. Aufgrund des Klimas sind die Weine meist von hoher Reife und sehr süßer Frucht charakterisiert. Selbst auf den kühlsten Anbauflächen stellt die Hitze eine der größten Herausforderungen dar.
Vor allem große Betriebe, die die Branche dominieren, meistern das allerdings. Bei Angelo Cetto, 1928 gegründet von dem italienischen Einwanderer Angelo Cetto und damit die älteste Kellerei in Baja California, findet sich viel Typisches. Von 5000 Hektar Rebfläche dienen 1000 Hektar der Weinbereitung. Das meiste wird zu Rosinen verarbeitet. Die Abfüllungen reichen vom tropisch-fruchtigen Chardonnay über reife Cabernets und Zinfandels zu einem Petite Syrah.
Dessen Würze passt zur mexikanischen Küche. Als Souvenir aus der norditalienischen Heimat gibt es einen vollfruchtigen Nebbiolo, in dem man den typischen Trüffelnoten nachspüren kann. Weiter individualisierte Weine von kleinen Vorreiterbetrieben, die die Möglichkeiten der Terroirs ausloten oder biodynamisch arbeiten, sind bis jetzt noch die Ausnahme.
Wachstum durch Trinkfreude
Trotz wirtschaftlicher Schwankungen steigen Qualität und Quantität der mexikanischen Weine seit den 1980er Jahren. Damit einher gehen wachsendes Interesse der Kunden für Hochwertiges, insbesondere die Nationalgetränke Mezcal und Tequila, aber auch Cognac, Single Malt Whisky, spanischen und heimischen Brandy. Ein Steuersatz von bis zu 40 Prozent erschwert die Konkurrenz zu Bier und Spirituosen weiter. Auch die Küche Mexikos, mit Abstand die eigenständigste des Doppelkontinents, nur mitunter recht pikant, ist nicht der geborene Partner für Wein.
Weine sind meist Importware, zum Beispiel aus Spanien oder Chile, Australien, Neuseeland. Klassische Sammler in Mexiko decken sich mit schweren Rotweinen aus Bordeaux, der Rioja oder der Toskana ein. Zumindest in Mexiko ein Hobby für Superreiche.
Doch die Generation kommt in die Jahre, und junge Weintrinker werden langsam, aber stetig mehr, vor allem in der wachsenden Mittelklasse zwischen 25 bis 35 Jahren mit hohem Bildungshintergrund. Das fand das Londoner Marktforschungs-Institut Euromonitor International kürzlich heraus. Verkaufskanäle wie internationale Groß- und Einzelhandelsketten gibt es genügend. In den trendigen Vierteln der Großstädte gehören Wein- und Tapas-Bars längst zum Stadtbild.
Um Status und Entwicklung der Branche seriös einzuschätzen, fehlen aber wichtige Zahlen. Überschlägig gibt es eine Anbaufläche von circa 50.000 Hektar, wovon der Löwenanteil auf Tafeltrauben entfällt. Doch „mehr als hundert Bodegas füllen über 500 Etiketten ab“, erklärt Daniel Milmo Brittingham, Präsident des Winzerverbands Consejo Mexicano Vitivinícola (CMV). So kamen 2015 19,4 Millionen Liter Wein zusammen. Im Hauptberuf Generaldirektor des Traditionsbetriebs Casa Madero gefallen ihm andere Kennzahlen noch besser. Der ganze Sektor beschäftigt mit Nebeneffekten bereits 12000 Menschen.
Und den Mexikanern schmeckt der Wein. Der Pro-Kopf-Konsum ist mit 0,75 Litern zwar unterirdisch (Frankreich rund 50 Liter). „Vor fünf Jahren waren es aber nur 0,5 Liter.“ Macht 50 Prozent Zuwachs, „und zwar vor allem im mittleren und höherem Preissegment. Der Konsument hat die Qualität des mexikanischen Weins erkannt.“ Zehn Prozent Zuwachs im Wert seit 2005, acht im Volumen, ordnen das etwas genauer ein.
Wachstumspotenzial liege vor allem in der Trinkfreude, so Milmo. Mexikaner trinken per capita 60 Liter Bier, obwohl noch immer fast die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebt. Mit steigender Bevölkerungszahl und einem der höchsten Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukte aller Schwellenländer könnte der Weinmarkt eine Goldgrube werden.
Matthias Stelzig