Wenn es um deutsche Weine geht, dann ist jedes noch so kleine Detail gesetzlich geregelt. Möchte man meinen. Denn es gibt hier und dort kleinere Lücken, die tatsächlich kein Paragrafen-Korsett haben. Genau das ist bei der Begrifflichkeit feinherb der Fall. Wir schauen uns das einmal genauer für Sie an – und geben Ihnen zugleich Argumente für Ihre Kundschaft an die Hand.
Bei deutschen Weinen hat es sich eingebürgert, dass man bei der Geschmacksrichtung feinherb und halbtrocken gleichsetzt. Was ja auch meistens stimmt. Aber eben nicht immer. Damit Ihre Kundinnen und Kunden den Feinherb-Begriff besser für sich einordnen können, haben wir uns mal ein wenig auf Recherchereise für Sie begeben. Denn im Gegensatz zu halbtrocken ist feinherb nicht im deutschen Weingesetz definiert. Oder gar verankert. Genau deswegen haben Erzeuger bei feinherben Weinen viel mehr Freiheiten – und nutzen diese auch. Aber wann und wieso etablierte sich dieser nach wie vor vogelfreie Begriff eigentlich?
Dafür begeben wir uns in die frühen 1990er-Jahre. Denn als sich damals der deutsche Weingeschmack änderte, begann sozusagen der Niedergang der halbtrockenen Weine. Und auch der lieblichen Gewächse. Die deutschen wollten trockene Tropfen trinken. Alle Weine, auf deren Etiketten halbtrocken stand, hatten es im Laufe der Zeit immer schwerer. Trockene Weine lagen eindeutig im Trend. Und genau diesem Trend folgten dann auch immer mehr Weinerzeugende. Ja, selbst Prädikatsweine wie Kabinett oder Spätlese baute man ab den 1990ern bevorzugt trocken aus.
Feinherb: Wo und wie der Begriff entstand
Genau das tat aber nicht jedem Wein gleichermaßen gut. Ein Kabinett-Wein lebt zum Beispiel von einem harmonischen Süße-Säure-Spiel am Gaumen. Vor allem, wenn es sich dabei um einen Riesling Kabinett von der Mosel handelt. Gerade in diesem Anbaugebiet hatten Weine mit einer gewissen Restsüße ja eine lange Tradition. Und diese sollte man jetzt auslöschen, weil die Konsumierenden inzwischen bevorzugt zu trockenen Weinen griffen und im gleichen Geschmacksatemzug halbtrockene Gewächse links liegen ließen?
Damit wollten sich ein paar Winzer von der Mosel einfach nicht abfinden. Sie lösten dieses Konsumvorliebenproblem auf eigene Weise. Nämlich indem sie ihre Weine einfach feinherb statt halbtrocken nannten. Sie wählten bewusst diesen Begriff, da er Eleganz und Raffinesse suggerierte. Vor allem klang er aber nicht so altbacken und bieder wie halbtrocken. Feinherb - damit konnte man auch Trocken-Trinker für sich gewinnen. Dachten sich die Mosel-Winzer. Die Marketing-Rechnung ging dann auch recht schnell auf. Feinherbe Mosel-Rieslinge waren in aller Munde und fanden sehr gut Absatz. Zudem gab es für die Weinerzeugenden neben dem wirtschaftlichen noch einen weiteren Vorteil. Denn sie mussten die Stilistik ihrer Weine nicht groß anpassen. Die halbtrockenen Gewächse taufte man einfach in feinherb um. Schnell gedacht, schnell gemacht.
Feinherb erobert die deutsche Weinszene
So clever die Erfindung von feinherb auch war - der Ärger ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Zum einen türmten sich die Beschwerden anderer Winzerinnen und Winzer bei den Weinbauverbänden. Zum anderen war auch dem Gesetzgeber die Feinherb-Bezeichnung ein Dorn im Auge. Weil es halt keine gesetzliche Definition für diese Geschmacksrichtung gab. Es verwundert also nicht, dass die Angelegenheit binnen kurzer Zeit vor Gericht landete. Und zwar vor dem Oberlandesgericht Rheinland-Pfalz. Und hier gab man den Feinherb-Erzeugenden Recht!