DEKANTIEREN und karaffieren
in Ihrem Wein-Alltag

Jeder Mensch, der mit Wein handelt, hat die Frage wohl schon sehr, sehr häufig von der eigenen Kundschaft gehört, wenn diese gerade einen Wein zum ersten Mal kaufen: „Muss ich den dekantieren?“ An dieser Stelle ist es immer wieder ratsam, einfach mal durchzuatmen und nicht in den Klugscheißmodus zu verfallen. Denn es ist ja so, dass sich ein Großteil der Kundinnen und Kunden nur bedingt fundiert mit Wein auskennt. Es bringt also nichts, direkt mit einer Lehrstunde zum Thema Unterschied zwischen dekantieren und karaffieren anzufangen. Letzteres ist ja meistens bei der Frage gemeint.

Sprich: Das Belüften eines jungen Weins in einem Dekanter, damit dieser sich schneller öffnet und sich die Aromen besser entfalten. Im Unterschied dazu bezeichnet dekantieren eigentlich den Vorgang, bei dem man einen gereiften Wein vorsichtig aus der Flasche in eine Karaffe umfüllt, um ihn vom Depot zu trennen. Wenn man das zelebrieren möchte, dann präsentiert man den Wein vorab in einem Dekantierkörbchen, aviniert die Karaffe und füllt dann über einer Kerze um, damit man auch genau sehen kann, wann das Depot anfängt, Richtung Flaschenhals zu wandern.

Dekantieren meist nicht erforderlich

Nun mag es Weinhandlungen geben, die sich tatsächlich auf gereifte Weine spezialisiert haben. Aber diese sind eher die Ausnahme, denn die Regel. Wenn eine Kundin oder ein Kunde also fragt, ob sie oder er denn den Wein dekantieren müsse, ist in den meisten Fällen das Karaffieren gemeint. An dieser Stelle geht es meistens recht schnell. Denn der Großteil aller weltweit produzierten Weine sind für einen jungen Genuss bestimmt. Hier ist es absolut nicht nötig, dem Wein vorher Zeit und Raum zum Entfalten zu geben. Alle Aromen sind bereits direkt nach dem Öffnen der Flasche präsent.

Eine Ausnahme bilden hier eigentlich nur Rotweine mit viel Tannin. Dieses kann am Gaumen schon mal ruppig wirken. Wenn man solche Weine ein bis zwei Stunden vor dem Genuss karaffiert, mildert sich das Tannin etwas ab und wird runder. Generell kann man sagen, dass ein karaffierter Wein pro Stunde die natürliche Reifung quasi um ein Jahr vorzieht. Genau deswegen ist es auch ratsam, Weißweine, die jung getrunken werden sollen, nicht zu karaffieren. Bei ihnen kann es im schlimmsten Fall nämlich vorkommen, dass der Wein während der Zeit im Dekanter seinen Lebenshöhepunkt überschreitet und dann nur noch tot im Glas hin und her schwappt. Das muss ja nicht sein.

Karaffieren: Ein paar Tipps

Wenn Ihre Kundschaft einen jungen Wein zuhause karaffieren möchte, können Sie ihr oder ihm die Faustregel „Eine Stunde in der Karaffe, gleich ein Jahr zusätzliche Reife“ gerne mitgeben. Gerade für Menschen, die erst anfangen, sich mit Wein zu beschäftigen, ist das ein sehr wertvoller Tipp, der Sicherheit im Umgang mit dem Thema bringen kann. Ist Ihre Kundschaft fortgeschritten, dann können Sie Ihre Ratschläge natürlich dementsprechend anpassen beziehungsweise erweitern.

Falls Ihre Kundschaft zum Beispiel nicht mehrere Stunden warten kann, bis sich der Wein entfaltet, können Sie an dieser Stelle sehr gut das doppelte Karaffieren empfehlen. Hierbei schüttet man den Wein zunächst in einen Dekanter, schwenkt ihn für eine Minute kräftig – und gibt ihn dann zurück in die Flasche. Am besten verwendet man da einen handelsüblichen Trichter aus der Küche. Dadurch kommt der Wein mit mehr Sauerstoff in Berührung und öffnet sich schneller. Selbiges gilt auch für das sogenannte Sturzkaraffieren. Hier schüttet man den Wein mit Schmackes aus der Flasche in den Dekanter. Auch so kommt mehr Luft an den Wein.

Dekantieren: Leiten Sie Ihre Kundschaft an

Natürlich gibt es immer mal wieder Situationen, bei denen es tatsächlich um das Dekantieren geht. Im Regelfall sind Ihre Kundinnen und Kunden schon so weinerfahren, dass sie da keine Hilfestellung benötigen. Aber bekanntlich gibt es für alles ein erstes Mal. Bieten Sie ruhig Ihr Wissen an. Das Dekantieren kann ja durchaus tricky sein.  In der Regel lagerte der gereifte Wein, der dekantiert werden soll, etwa mehrere Jahre liegend. Damit sich das Depot während des Dekantierens auch wirklich am Flaschenboden befindet, ist es zum Beispiel ratsam, die Flasche mindestens 12 Stunden vor dem Öffnen aufrecht hinzustellen. Damit sich das Depot auf dem Boden absetzen kann.

Bei besonders alten Gewächsen ist die Verwendung eines Federkorkenziehers sinnvoll. Denn der Korken kann brechen. Passiert das trotzdem, kann man mit einem Dekantersieb die Korkenbrösel während des Eingießens in eine Karaffe rausfiltern. Wahrscheinlich machen Sie sich bei Ihrer Kundschaft beliebt, wenn Sie hier auch ein normales Küchensieb oder einen Kaffeefilter empfehlen, damit man sich nicht extra noch selten verwendete Utensilien anschaffen muss. Auch mit dem Vorschlag, eine Karaffe statt eines Dekanters zu verwenden, kann Ihnen extra Sympathiepunkte einbringen. Schließlich soll an einen gereiften Wein nur bedingt Sauerstoff, da er sonst schnell kaputtgehen kann. Genau deswegen können Sie gerne vorm doppelten Dekantieren oder dem Sturzdekantieren hier warnen. Was für junge Wein gut sein kann, ist hier wahrscheinlich der Tod des Weins. Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll, eine schlanke Karaffe statt eines auslandenden Dekanters zu verwenden.

Dekantieren, karaffieren - und die Praxis

Sie sehen: Wenn man den praktischen Umgang mit dem jeweiligen Wein erklärt und Tipps gibt, ist es eigentlich ganz egal, ob Ihre Kundschaft den Unterschied zwischen dekantieren und karaffieren kennt. Solche Erklärung können Kundinnen und Kunden schnell als Belehrung oder gar Klugscheißerei wahrnehmen, was dann mit negativen Emotionen im Gedächtnis bleibt. Mal ganz davon abgesehen, dass es die Hürde zum Verstehen von Wein unnötig erhöht.

Wenn Sie Ihre Kundschaft aber mit praktischen Tipps versorgen und so deren Genuss maximieren, dann schaffen Sie vertrauen. Und kommunizieren auf Augenhöhe. Dadurch schaffen Sie vertrauen, zeigen zugleich Weinkompetenz – und können so viel einfacher treue Stammkundinnen und Stammkunden gewinnen. Falls Sie dann auch noch die passenden Karaffen und Dekanter empfehlen können – oder diese sogar verkaufen – haben Sie bei Ihrer Kundschaft auf jeden Fall ein Stein im Brett.