Miracolo - gelöst
Corvinone gibt etwas Würze und hohen Ertrag, die rötlichen Beeren der Molinara oft einen Touch Säure. „Das liegt im Trend“, findet Daniele Accordini, Leiter der Cantina Negrar. Trotzdem liegt der Anteil meist im einstelligen Bereich. Dazu kommt noch eine lange Reihe autochthoner Sorten wie Pelara oder Negrara, Terodola oder Rossignola, die Idealisten gern mal reinsortig ausbauen. Meist bleibt es bei liebenswerten Versuchen.
Mit der Zusammensetzung der Rebsorten und vier sehr unterschiedlichen Weintypen haben die Winzer stilistisch breiten Handlungsspielraum – und vielen Konkurrenten etwas voraus. „Der Valpolicella classico ist dabei für den frischen Trinkwein zuständig“, erklärt Marco Speri, der das Konzept in seinem Secondo Marco mit viel Biss, animierender Säure und dichter Frucht geradezu ideal umsetzt. Ein Wein, der immer zu einem Stück Fleisch passt. Dass es nicht mehr so viele Rebsorten gibt wie früher, findet er schade. Den Amarone-Trauben steht als erstes der möglichst langsame Trocknungsprozess bevor, der die Aromen noch einmal intensiviert. Säure reduziert sich, Phenole werden gesättigt, Glycerin reichert sich an. Sogar der Resveratrol-Gehalt soll steigen, was Kenner sofort mit dem Hinweis auf ein vermindertes Herzinfarktrisiko quittieren.
Die alten Schilfrohrgestelle und liebevoll verzierten Dachluken in Nordausrichtung, durch die der Alpenwind ziehen soll, um die Trauben zu trocknen, sieht man jedoch immer seltener. Viele ambitionierte Winzer setzen auf hygienische Plastikkästen und klimatisierte Räume, in denen der Trockenvorgang präzise und oft schneller abläuft. Mit dem Hightech-Einsatz sind allerdings auch ein paar der so typischen Bittertöne – „amaro“ bedeutet bitter – wie Kirschsteine und Teer im Amarone verloren gegangen. Schade eigentlich, sie waren einzigartig, obwohl die Kundschaft sie nicht vermisst.
Was geblieben ist, sind Alkoholgehalte zwischen 15 und 17 Prozent, die Winzer gern als „miracolo del amarone“ verklärten. Erst vor einigen Jahren stellte sich heraus, dass ein besonders alkoholresistenter Hefestamm hinter dem Wunder steckt. Für den Ripasso, wörtlich Wiederholung, wird dem frischen Valpolicella noch einmal der Trester des Amarone zugesetzt. Die konzentrierten Trauben enthalten noch immer genügend Zucker für eine zweite Gärung. So kommt der Ripasso zu mehr Frucht, Fülle, Süße und Alkohol. Winzer nennen ihn werbewirksam „Baby Amarone“. „Winzers Liebling“ wäre vielleicht noch treffender. Die Weine kommen auf Exportmärkten wie den USA gut an und sind deutlich preiswerter als Amarone. Allerdings gehört auch hier Fingerspitzengefühl dazu, die richtige Balance zu finden. Obwohl die Technik uralt ist, darf der Ripasso erst seit 2007 offiziell seinen Namen tragen. Ein juristischer Namensstreit stand dem bis dahin im Weg.