Orange Wine erhebt den ungesteuerten Gärprozess sogar zum Stilprinzip. Der Most weißer Trauben wird auf den Schalen vergoren wie Rotwein und oft noch lange, manchmal Monate liegen gelassen. Luftkontakt während der Vinifikation ist ausdrücklich erwünscht, Filtration, Schwefelung und jedweder andere Eingriff aber selbstredend ausgeschlossen.
Heraus kommen bronze- bis orangefarbene Weine mit viel Tanninen, Oxidationsnoten und manchmal auch Aromen von Gemüsesuppe oder Sauerkraut. Ohne Zweifel sind die meisten komplex. Aber „wir mühen uns seit dreißig Jahren um saubere Weine und jetzt das“, sagt Bio-Wein-Händler Peter Riegel nur halb im Spaß.
Freude haben dagegen viele Orange-Winzer an Experimenten. Als Gärgefäße kommen Amphoren und Tongefäße nach dem Vorbild georgischer Kvevris zum Einsatz. Auch Beton-Eier sind wegen ihres mikrooxidativen Effekts beliebt und weil im Innern Wirbel vermutet werden, die Schwebstoffe am Absinken hindern. „Feststellen konnten wir die aber nicht“, winkt Dr. Michael Zänglein von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau ab, der der Strömung in Messreihen nachgespürt hat.
Trotz oder gerade wegen ihres exzentrischen Stils sind die Weine gefragt. Besonders bei Bukettsorten und in Cuvées erzielt das Verfahren gute Ergebnisse. Sortentypische Aromen wie Hyazinthen im Muscat oder Rosenblätter im Gewürztraminer erzeugen eine reizvole Spannung gegenüber den vegetabilen und oxidativen Noten. Verkostungen von Natural und Orange Weinen sind nicht selten überlaufen.
Leichte Berührungsängste zeigen dagegen manche Winzer. Wer viele Jahre um einen klaren Ausdrck der Frucht gerungen hat, kann sich mit den üppigen Sekundäraromen nicht immer leicht anfreunden. Hinter vorgehaltener Hand hört man oft: „Unsere Kunden fragten immer wieder nach einem Orange Wine. Am Ende haben wir ihn dann gemacht.“ Doch auch hier scheint die Skepsis zu weichen. Auf der kommenden ProWein wird der Anteil der Bio-Winzer größer sein als jemals zuvor.
Matthias Stelzig